Der Film beginnt mit einer Art umgekehrtem Voyeurismus, einem bewusst denunzierenden “female gaze”, der in Zeitlupe auf die Unterkörper, Bäuche und Genitalien tanzender Männer in einem Nachtclub gerichtet ist. Schwitzend, betrunken, grölend und anzüglich repräsentieren diese Männer jenes Bild eines hässlichen Menschentiers, das von einem toxischen Sexualtrieb und von Machtgeilheit angetrieben wird.
Wie übergriffig, demütigend und verletzend dieser allgegenwärtige Machismus für Frauen ist, thematisiert Emerald Fennell in ihrem vielversprechenden Debütfilm „Promising young woman“ immer wieder. Dass die männliche Spezies für ihr in Testosteron getränktes Überlegenheitsgebaren einerseits die Kohorte Gleichgepolter braucht, andererseits ihre angebliche Stärke auf ein vermeintlich schwächeres Gegenüber angewiesen ist, zeigt sich gerade dort, wo diese Geschlechterrollen umgekehrt werden und Frauen sich selbst ermächtigen.
Eine solche Frau ist die 30-jährige Cassandra Thomas (Carey Mulligan), die deshalb auch immer wieder in einer frontalen, Dominanz ausstrahlenden Perspektive gezeigt wird. Seit ihrem vor sieben Jahren unter traumatischen Umständen abgebrochenen Medizinstudium und dem damit verbundenen Verlust ihrer besten Freundin ist sie zur Rächerin an der Männerwelt geworden. Während sie tagsüber lustlos in einer Coffee-Bar jobbt, schleppt sie nachts unter vorgespielter Trunkenheit Männer ab, um sie psychisch zu foltern und zu demütigen.
Dabei hat ihre Rache unterschiedliche Gesichter, zielt aber vor allem darauf ab, durch die umgekehrte Täter-Opfer-Rolle die Männer für einmal Schwäche und hilflose Ohnmacht erleben zu lassen. Denn noch immer wird den weiblichen Opfern männlicher Gewalt eine Mitschuld zugeschrieben. Und noch immer solidarisieren sich männliche Täter, wenn es darum geht, Verantwortung und Strafe abzuwenden.
Emerald Fennell lässt in ihrem doppelbödigen Rape-and-Revenge-Drama sowohl in Bezug auf Cassies Vorgeschichte als auch hinsichtlich ihrer abgründigen Taten bewusst Leerstellen, die als Projektionsflächen und Spiegel für unausgesprochene, stets präsente männliche Gewalt dienen. Zugleich spielt sie mit genretypischen Versatzstücken, die sie teils parodistisch überzeichnet, überdeutlich ins Bild setzt oder aber konterkariert, indem sie durch unerwartete Wendungen in der Handlung die Zuschauererwartungen täuscht und umlenkt.
Fennells ironischer Blick auf eine anständige und gepflegte Vorstadtwelt, die von Wohlstand und Sauberkeit, schlechtem Geschmack und kitschigen Interieurs gekennzeichnet ist, zeigt wiederum die tiefe Verankerung und gesellschaftliche Akzeptanz diskriminierender Rollenzuweisungen. Cassandra, die außerdem unter Schuldgefühlen leidet, entzieht sich immer wieder diesen Zuschreibungen. Als wandlungsfähige Streiterin für Gerechtigkeit wechselt sie bis zum fulminanten Schluss ihre Rollen und Identitäten, um die Mauern männlicher Macht zu durchbrechen.