Moskau ist unwirtlich und kalt. Die Lokalnachrichten melden ungewöhnlich heftige Schneestürme. Auf den Straßen und Plätzen sind die Räumdienste im Dauereinsatz. Und in den U-Bahnen herrscht drangvolle Enge. Unter den vielen frierenden Menschen, allein und verloren, ist die 25-jährige Ayka (Samal Yeslyamova) unterwegs durch die fremde Stadt. Zu Beginn von Sergey Dvortsevoys ebenso rauem wie intensivem Film „Ayka“ hat die junge Kirgisin ihr Neugeborenes auf einer Entbindungsstation zurückgelassen. Sie flieht und läuft in einer schier ununterbrochenen Bewegung, verfolgt von einer hektischen Handkamera, die ihr dicht auf den Fersen ist und die Mühen ihres schmerzenden Körpers förmlich auf den Zuschauer überträgt. Fast scheint es, als würde ihr schwerer Atem die müden Glieder tragen.
In ihrer Heimat hat Ayka, die einmal eine Nähwerkstatt eröffnen wollte, Schulden. Jetzt sucht sie, die als Illegale unter Illegalen in einer kalten, verdreckten Wohnung mit zugeklebten Fenstern haust, verzweifelt nach einer Arbeit. In einer gammligen Hühnerschlachterei, wo sie unter unzumutbaren Bedingungen schuftet, wird sie um ihren verdienten Lohn geprellt. Und ihr früherer Job in einer Küche ist mittlerweile an eine andere Aushilfe vergeben. Während Ayka wie ein instinktgeleitetes Tier um ihr Auskommen, ja ihr Überleben kämpft, nehmen die nachgeburtlichen Schmerzen und Blutungen zu, wachsen Hunger und Angst. Ihre von der nicht abgegebenen Muttermilch geschwollenen Brüste bilden dazu einen schmerzlichen Kontrast und fungieren im weiteren Verlauf des Films zugleich als ein Symbol der Hoffnung.
Der russische Regisseur Sergey Dvortsevoy, dessen physische Inszenierung ganz auf die hervorragend verkörperte Heldin (Darstellerpreis in Cannes) konzentriert ist, vermittelt Aykas persönliche Hintergründe und Motive eher ungeordnet und nebenbei. Aus dem schonungslosen Konflikt zwischen Individuum und Gesellschaft, zwischen leidendem Körper und einer menschenfeindlichen Umgebung bezieht sein teils schwer erträglicher Film eine immense Spannung.
Mit einem drastischen Realismus erkundet Dvortsevoy das Leben und Vegetieren von Menschen am Rande der Gesellschaft. Dabei setzt er die unwürdigen Verhältnisse der Illegalen und Deklassierten immer wieder in einen harten Kontrast zu den Erfolgreichen und ihren Versprechungen. Ayka ist eine Gedemütigte und Ausgebeutete, ins Leben geworfen wie ihr vor Hunger schreiendes Kind und schlechter behandelt als ein Tier. Reduziert auf ihre nackte, tierische Existenz erscheint Aykas schlussendliche Entdeckung des Mutterinstinkts trotz aller Bedrohung und Fragilität wie eine Besänftigung.