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Bacurau

(BR/FR 2019, Regie: Kleber Mendonça Filho, Juliano Dornelle)

Pastiche des Widerstands
von Wolfgang Nierlin

Makro- und Mikrokosmos, das Große und das Kleine bilden einen gewichtigen Zusammenhang in Kleber Mendonça Filhos und Juliano Dornelles‘ preisgekrönten Film „Bacurau“. Ein ungewöhnliches Zoom verbindet zu Beginn die Perspektive …

Makro- und Mikrokosmos, das Große und das Kleine bilden einen gewichtigen Zusammenhang in Kleber Mendonça Filhos und Juliano Dornelles‘ preisgekrönten Film „Bacurau“. Ein ungewöhnliches Zoom verbindet zu Beginn die Perspektive aus dem All mit dem titelgebenden kleinen Ort im strukturschwachen Nordosten Brasiliens. Dieser nach einer Nachtschwalbe benannte Flecken des Sertăo ist ebenso fiktiv wie real. Denn im Grunde steht er für eine verfehlte Politik, für soziale Benachteiligung und für die systematische Ausgrenzung von Minderheiten an den Rändern des riesigen Landes. In einer nahen Zukunft, in der dieser auf groteske Weise wahre Neon-Western mit seinen Science-Fiction-Anleihen spielt, ist Bacurau bereits von der digitalen Landkarte gelöscht. Auch von der Wasserversorgung wurde er abgeschnitten, weshalb man eingangs aus der Vogelperspektive dem Weg eines Wassertankwagens durch die staubige Einöde folgt.

Mit ihm kehrt Teresa (Bárbara Colen) in das Dorf zurück. Ihre allseits geschätzte Großmutter Carmelita ist gestorben und die verschworene Dorfgemeinschaft versammelt sich zum Trauerzug. „Lasst uns das Beste aus dem Leben machen, solange wir es haben“, sagt Plínio (Wilson Rabelo), Sohn der Verstorbenen und Dorfschullehrer. Seine Tochter Teresa hat einen auffallend roten Koffer aus der Stadt mitgebracht, in dem sie Impfstoffe, Medikamente und eine geheimnisvolle Psycho-Droge schmuggelt.

Unter Anführung des ehemaligen Killers Pacote alias Alácio (Thomás Aquino), der außerdem mit Teresa liiert ist, formiert sich offensichtlich ein Widerstand gegen die korrupten Behörden und gegen einen schmierigen Bürgermeisterkandidaten namens Tony Junior (Thardelly Lima). Ein Berg alter Bücher, abgelaufene Lebensmittel und unwirksame Arzneien dienen ihm als Wahlgeschenke zur Besänftigung der rebellischen Dorfgemeinschaft, was jedoch nichts nützt. Gleichzeitig begibt sich ein ausländisches Killer-Kommando unter dem sinistren deutschen Anführer Michael (Udo Kier) auf den Weg, um das Leben in Bacurau auszulöschen.

In einem bizarren Genre-Mix, der bekannte Westernmotive zitiert und diese sowohl mit mythischen als auch futuristischen Elementen verknüpft, komponieren Kleber Mendonça Filho und Juliano Dornelles ein ebenso vergnügliches wie ernstes Pastiche des Widerstands. Die beiden Regisseure, die selbst aus dem brasilianischen Bundesstaat Pernambuco stammen, erzählen den politischen Subtext ihres Films als ein unkonventionelles Crossover der Stile, das sich mit einer mehr flächigen, horizontalen Dramaturgie verbindet und auf eine zentrierte Figurenperspektive verzichtet.

So reiht sich in das Ensemble der subversiven Dörfler auch noch der an die Tradition der Cangaceiros angelehnte Bandit und Staatsfeind Lunga (Silvero Pereira) ein, der den grausamen Showdown nicht von ungefähr im geschichtsträchtigen Dorfmuseum inszeniert. Dass dabei psychoaktive Drogen ihre magische Wirkung entfalten, markiert im offenen Konzept des Films eine weitere wundersame Strategie, mit der die Regisseure ein politisches Anliegen mit solidarischem Handeln und einem traditionellen Volksgauben in Beziehung setzen.