Über der flachen, schier endlosen Weite ist der schwere Himmel bewölkt. Fahles Herbstlicht fällt in die nebelverhangene, baum- und strauchlose Landschaft, die von kerzengeraden Straßen durchzogen wird. Die Figuren aus Bouli Lanners neuem Film „Das Ende ist erst der Anfang“ (Les premiers les derniers) verlieren sich darin. Allesamt sind sie unterwegs mit ungewissem Ziel, wobei sich ihre Wege paradoxerweise immer wieder kreuzen. Vor allem aber sind sie Fremde an einem unwirtlichen Ort, der von leeren Lagerhallen, zerfallenden Industriebrachen, einer verlassenen Tankstelle und einer provinziellen Spelunke gesäumt wird. Der wilde Westen, aufgenommen in der französischen Beauce, hat hier den Charakter einer endzeitlichen Landschaft. „Im Fernsehen haben sie gesagt, die Welt wird untergehen.“
Der das äußert heißt Willy (David Murgia). Zusammen mit seiner Freundin Esther (Aurore Broutin) ist er auf unbestimmter Flucht. Dabei wirkt das schutzlos ausgesetzte Pärchen unbeholfen und verletzlich. Die orangefarbenen Signaljacken, in denen die beiden notdürftig stecken, sind wie ein Ausweis ihrer Obdachlosigkeit. Aber das riesige Universum mit seinen Milliarden von Sternen könne nicht einfach verschwinden, sagt ein Mann, der sich Jesus (Philippe Rebbot) nennt und ihnen die Angst nehmen will. Später liegt Jesus mit durchschossener Hand in einem Krankenhaus und erklärt seinem Bettnachbar Gilou (Bouli Lanners), der nach einem Zusammenbruch eingeliefert wurde: „Das Herz mag nicht, wenn man sich Sorgen macht.“ Der alternde, vermeintlich herzkranke Ganove leidet nämlich vor allem unter Einsamkeit und Todesangst.
Zusammen mit seinem Kumpel Cochise (Albert Dupontel) und dem kleinen Hund Gibus ist er in besagter Landschaft unterwegs, um in geheimem Auftrag ein Handy mit sensiblen Daten zu orten und sicherzustellen. Doch das Signal, dem die beiden schweigsamen Männer in ihrem Pick-up eher lustlos folgen, ist meistens ausgeschaltet. Überdies wechselt das Handy, ausgelöst durch skurrile Begegnungen und Verwicklungen, wiederholt den Besitzer. Doch eigentlich ist diese konfliktreiche Suche in Lanners lakonischem Roadmovie, das (visuelle) Motive des Westerns zeitgemäß variiert, nur ein Aufhänger für existentielle Fragen. Zwar geraten die fremden nacheinander in gewalttätige Auseinandersetzungen mit den ortsansässigen, selbsternannten Ordnungshütern, aber Lanners eigentliches Interesse gilt einer „Botschaft der Hoffnung“.
Mit trockenem Humor, in stilisierten, fast farblosen Bildern und teils surrealen Szenerien beschwört sein meisterlich erzählter Film den Lebensmut gegen die Todesangst. „Ich war tot und bin ins Leben zurückgekehrt“, lässt der belgische Filmemacher und Schauspieler zwei sehr alte Männer in ihrer Grabrede für eine mumifizierte Leiche aus der Bibel zitieren. Gespielt werden sie von Michael Londsdale und Max von Sydow, zwei legendären Altstars des europäischen Kinos.