Disney/Marvel ist ein guter Papa, zumindest für all jene Regisseure, die sich das monströse Unternehmen für sein Superhelden-Franchise ins Boot holt, welche nicht zu sehr aufmucken. Der eine oder andere, manchmal direkt aus dem Indie-Becken gefischte Blockbuster-Debutant in spe (wie Taika Waititi – „What we do in the Shadows“, „Hunt for the Wilderpeople“ -, der soeben den dritten „Thor“ inszeniert) darf nämlich gern seine Eigenheiten, für die er in „der Szene“ bekannt ist, auf der Leinwand ausleben, das einzelne Produkt muss dennoch in den Bahnen des Konzerns fließen (zumal diese ja immer in einen „Avengers“-Phasenabschlussfilm münden müssen). Kompromisse werden gerne eingegangen – z. B. ist es Shane Black in „Iron Man 3“ durchaus gestattet, seinen immerwährenden Buddy-Comedy-Vogel auszuleben, sofern der Film brav mit dem Genre-üblichen Spektakel-Overkill endet –, dienen sie doch dem absichtsvoll berechenbaren Apparat als regelmäßig verordnete Frischzellenkur und Marketingvehikel. Zu viel Eigensinn wird jedoch bestraft: Edgar Wright fand aufgrund „kreativer Differenzen“ letztendlich keinen Eingang ins Familien-Business (an seiner statt hat der eh okaye Peyton Reed den recht schmunzeligen, aber bis auf ein paar atemberaubende Groß-Klein-Modulierungs-Effekte konventionellen „Ant-Man“ fürs Kino inszeniert).
Nicht jeder weist derlei Künstlerallüren wie Wright auf, der mit „Scott Pilgrim vs. The World“ bereits bewiesen hat, dass er Comic-Panels und Leinwand bestens zu versöhnen weiß (und die beschränkte Ästhetik des Marvel Cinematic Universe, MCU, ein paar Jahre vor seinem Engagement locker bereits weit hinter sich gelassen hat). Die meisten sind, und sie werden nicht müde, es zu betonen (vermutlich auch, weil es in ihrem Vertrag verankert ist), über alle Maßen dankbar für die Chance, die ihnen das Studio bietet. Ein fast schon infantiles Ausmaß nimmt diese Dankbarkeit bei James Gunn, auch Superhelden-Verfilmungs-erfahren (grimmig-skurril: „Super“), an, der seine Fans auf Facebook euphorisiert dafür feiert, dass sie so zahlreich Tickets für sein „Baby“, „Guardians of the Galaxy“, eingelöst haben. Weltweit hat der erste Teil nämlich knapp 800 Mio. Dollar eingenommen, weshalb es wenig verwundert, dass er auch gleich die Fortsetzung übernommen hat.
Gespannt darf man sein, was er über die Dreharbeiten zu „Guardians of the Galaxy Vol. 2“ zu erzählen hat (vielleicht Ähnliches wie Joss Whedon, der nach „Avengers: Age of Ultron“ wie ein verzogener Bengel lautstark gegen Disney wetterte?), denn darin reflektiert er eine möglicherweise widersprüchliche Erfahrung mit dem Mutter-, Pardon, Vaterkonzern, zumindest wenn man dessen Geschehnisse grob allegorisch fasst. Im Zentrum steht der sich unbewusst seiner Ahnenlinien gewisse und dementsprechend selbstbetitelte draufgängerische Star-Lord Peter Quill, der wie auch im Vorgänger am Tod seiner Mutter und der Abwesenheit seines Vaters leidet. Als der ihn nun eines Tages auffindet, ist der Sohnemann hellauf begeistert. Eine Begeisterung, die schnell weicht, sobald ihm der von Kurt Russel lässig-größenwahnsinnig verkörperte Patriarch, der ausgerechnet Ego heißt, seine Pläne offenbart: Ein Mensch ist er nämlich nicht, sondern ein Gott, der sich eine Welt (genauer: einen Planeten) nach seinem Ebenbild erschuf und überall im Universum seinen Samen verstreut, „until everything is me“, wie er einmal sagt. Grob kann man darin die Integrationsmanie Disneys erkennen: Neben jeder Marvel-Figur, deren Rechte nicht schon im Besitz eines konkurrierenden Studios liegen, versammelt das Haus mit der Maus neuerdings auch Lucas Film unter seinem Dach und appliziert das MCU-Prinzip auf „Star Wars“, dessen zentraler Konflikt ebenso der zwischen herrschsüchtigem Vader und rebellischem Sohn ist.
Nicht nur erzählerisch nähert sich Gunn also einem der Ur-Franchises an: Das verschlissene Innenleben der Raumschiffe, die Vielfalt im Creature-Design, die divers zusammengewürfelte Kerncrew aus teils kriminellen Misfits, das Gefühl, im Kosmos würd‘s nur so vor sich hinwuseln: „Guardians of the Galaxy Vol. 2“ atmet mehr alten Sternenkrieg-Staub als „The Force Awakens“ oder die über weite Strecken misslungenen, jedoch ambitionierten Prequels. Und genauso wie deren CG-Welten wirkt auch die von Papa Ego zu glatt, leblos, forciert durchkomponiert und –kalkuliert. Gunn spielt also im Kampf Herkules (Star-Lord als Halbgott) gegen Narziss (Ego als selbstverliebter Geck, der sich selbst zwanghaft ins Außen spiegelt) Chaos gegen Ordnung, vermeintlich gewachsene Echtheit gegen gemachte Künstlichkeit aus – und das stößt auf, nicht nur aufgrund des Anti-Imp-Pathos, der sich im Kampf der Rebellen bzw. Wächter gegen das „Empire“ (Negri/Hardt/Lucas) ausdrückt. An den Zeitgeist linkester Prägung schmiegt sich auch die Patchwork-Emphase an, die in der biologischen Herkunft allein das Böse, Zerstörende sieht und im selbst gewählten Bandenwesen das Antidot gegen Patriarchat, Imperialismus, Kapitalismus und was sonst noch an zu Reklameformeln verstockten Schlagworten den tendenziell in bloßem Schwarz-Weiß-Schema denkenden Social Justice Warriors allzu leicht von der Zunge rollen, wenn es um die allzu schnelle Identifizierung des Unheils geht. Sogar die buntgescheckten Schwestern Nebula und Gamora legen ihre lebenslange Fehde beiseite, als sie erkennen, dass die schwarze Pädagogik von Daddy Thanos daran Schuld ist (und nicht nur Kenner erkennen in ihm wiederum Anschlusspotential ans Großprojekt, in das Star-Lord und Co. bald integriert werden).
Verwässerter Ödipus und Mythos, der als Pop wieder in sich selbst umschlägt: Die Marvel-Fanboys und -girls erkennen sich darin bereitwillig wieder, werden den zweiten „Guardians“ genauso pflichtbewusst abfeiern wie den ersten und gleich einem Uhrwerk gegen den vermeintlichen farblosen Konservatismus Zack Snyders online zu Kriege ziehen (der gemeinsam mit DC zurzeit am bisher besseren Comic-Franchise arbeitet). Man kann es ihnen nicht verübeln, denn sowohl die bunte Lolipop-Ästhetik als auch das im besten Sinne weirde Figurenensemble, das u.a. aus dem zynischen sprechenden Waschbären Rocket, dem wortkargen Babybaumwesen Groot und dem Muskelprotz Drax, der alles wörtlich nimmt, besteht, nötigen einem schlichtweg mehr an Fun-Affirmation ab. Es letzterem gleichzutun und James Gunns fantasievoll und rasant inszenierte Marvel-Weltenerkundung ostentativ nicht-allegorisch zu verstehen, als „bloßen“ jolly good ride also, tut auch niemandem weh (was eben vielleicht auch das Problem ist, aber … ja eh), besonders wenn am Schluss sogar ein paar verdiente tearjerker-Momente für nah am Wasser Gebaute dabei abfallen.