The Toys R Us
Der Verdacht, bei „The Lego Movie“ (2014) könnte es sich um infantile Phantasterei handeln, erhärtet sich nicht erst durch mühevolles Analysieren. Er inszeniert unverstellt, dass er der kreativen Vorstellungswelt eines Jungen entspringt, der sich unerlaubterweise an Papas Lego-Sammlung vergreift. Sie ist infantil, nicht kindlich, denn geschrieben und verfilmt hat sie kein Zehnjähriger, sondern ein Duo, das sich bisher vor allem durch die hyperironische Wiederbelebung eines popkulturellen Staubfängers hervorgetan hat. Knapp 21 Jahre nachdem Johnny Depp im TV seine letzte High School infiltriert hat, ist „21 Jump Street“ (2012) auch im Kino zum Hit geworden, auf den zwei darauf eine Fortsetzung folgte, in der sich die Protagonisten mehr noch als im Vorgänger permanent darüber wundern und lustig machen, dass der Film, in dem sie mitspielen, überhaupt existiert. Über die Spielwarenverfilmung von Phil Lord und Chris Miller fragt man sich nur, warum sie erst so spät in Produktion gegeben worden ist, wo doch seit sieben Jahren Michael Bay regelmäßig beispielhaft vorführt, dass Nostalgie-induzierendes Plastik und Leinwand sich, zumindest am Box Office, bestens verstehen. Auch der Lego-Film ist, die einen sollen ja auch ihren Fun haben, reich an Selbst- und Fremdbezügen, für die es den anderen an popkulturellem Wissen fehlt, sowie explizit formulierten Botschaften, die es auf Groß und Klein zugleich abgesehen haben, ganz nach dem Motto: Access for all (Elsaesser). Jedem soll’s gefallen und jeder soll sich nach Herzenslust im (ideologischen) Ramschladen bedienen können, genauso wie die Filmemacher, die sich ihre Inspiration gleich beim Auftraggeber, der Kino unverhohlen als Schaufenster in der Mall versteht, abholen wie die nach dem anstrengenden Bildbeschuss fix und fertigen Konsumenten ihre fixfertig verpackten Lego-Sets in derselbigen.
Dem Hersteller ist es dabei so egal, wer seine Produkte kauft, wie dem Produktionsstudio, wer die ihrigen schaut, Hauptsache, jemand tut’s überhaupt. „The Lego Movie“ ergreift jedoch Partei, nämlich für die routinierten out of the box-Denker und -Bastler, die die Packerl, gefüllt mit „Star Wars“-, „Pirates of the Carribbean“- und „Harry Potter“-Merchandise, auch erst so erwerben müssen, wie sie angeboten werden, um im Anschluss ihrer Kreativität freien Lauf lassen zu können. In der unscheinbaren Figur des Emmet Brickowoski, der buchstäblich ein Leben ausschließlich nach Anleitung führt, finden sie ihre strukturelle Leerstelle, ein blank slate, von einer Prophezeiung, die sich als Schmäh erweist, dazu auserkoren, das disziplinarische Terrorregime des President Business, mit seltsamer Haarpracht und Hang zu Turbokleber-Ordnung und Mauern, zu zerschlagen. Dazu muss der Protagonist erst lernen, zum master builder zu werden, die Schablonenhaftigkeit seiner Realität zu durchschauen, welche er dann flexibel dekonstruieren und nach Lust und Laune wieder zu etwas Beliebigen zusammenbauen kann, das ihm just in time nützlich ist. Von der absoluten Ohn- zur sich alles bemächtigenden Über- braucht es aber zuerst das mentale Training durch die Gegenmacht, ein bunt zusammengewürfeltes Freakteam, das sich aus dem wohlbekannten Film- und Comicheldenfundus speist. Darunter ist auch der notorische Batman zu finden, gesprochen von Will Arnett, Serienaffinen vor allem bekannt als Teilzeitmagier Gob Bluth aus „Arrested Development“, wodurch auch Michael Cera bekannt wurde.
Konformistische Rebellion
Beide leihen ihre Stimmen nun dem titelgebenden Plastiksuperhelden und seinem Sidekick Robin im Spin-off „The Lego Batman Movie“, der sich an den Comic-Blockbustern der letzten Jahre nicht weniger, nun ja, bedient wie sein Vorgänger an „The Matrix“ (1999). Diesmal braucht es allerdings keinen Inszenierungsbruch, der eine Metaebene und damit die Erzählung als infantiles Spiel mit aufgeschnappten Filmversatzstücken und Wunsch eines Buben nach mehr väterlicher Aufmerksamkeit offenbart, um die development der Heutigen von heute als arrested zu markieren; ihr Fehlen ist viel mehr Anzeichen dafür, dass sie regressed ist, und zwar ganz und gar auf der Höhe der Zeit. „Batman“ ist nämlich auch ohne ihn durch und durch ironisch, forciert selbstreflexiv und fremdbezüglich, und vor allem eines: weitaus zynischer. Dass bereits die Studiologos von seinem Voice Over begleitet werden, er von Anfang an über seine ökonomischen Overlords herzieht, zeigt nämlich folgendes an: einen Widerspruch soll es nicht geben, die Reibung weicht, wie beim weniger kindgerechten „Deadpool“ (2016, mit einem weltweiten Einspielergebnis von knapp 800 Mio. Dollar), der Abreibung derjenigen, die sich solche Späße im Wissen ihrer Vergeblichkeit noch anmaßen zu kritisieren. Von Selbstproblematisierung also keine Spur mehr, es sei denn im Zeichen der Selbstpromotion. Sie würde ja ohnehin nur dazu dienen, das vornehmlich kritische Publikum – und wer zählt sich da nicht gern dazu? – genauso mit dem (kultur-)industriell hergestellten Produkt zu versöhnen wie das „naive“ mithilfe der Schauwerte – auch das heißt: Access for all –, also kann man es eigentlich auch gleich bleiben- und die Vollendung der Fraternisierung einfach zulassen.
Teamwork ist also das Gebot der Stunde, Komplizen lauern überall, und Freunde sowieso. Ganz ohne Komplikationen lässt sich der notorische Bachelor Bruce Wayne allerdings nicht davon überzeugen, hat der sich doch ganz gut eingerichtet in seiner Festung der Einsamkeit, eigentlich der Name von Supermans arktischer Man Cave, in der er aber, unter Ausschluss der miesepetrigen Fledermaus, mittlerweile gerne Partys mit der restlichen Heldenclique feiert. Das grämt den Outcast ein wenig, aber auch nicht lange, denn am liebsten spielt er sowieso mit seinen Gadgets und trauert manchmal dem Verlust seine Eltern nach. Die Versenkung in das Nicht-mehr-zu-Rettende wird ihm aber nicht lange gegönnt: Seiner individualistischen Unachtsamkeit geschuldet macht sich eine kleine Nervensäge in der Batcave breit. Die Einführung des Waisenkindes Robin wird so wie sämtliche Kinovariationen des Dark Knight abgehandelt: nebenbei und im Schnelldurchlauf. Sei es sein Kampf mit dem auf Kryptonit allergischen Strahlemann, dem stalinistischen Designermantelträger Bane oder dem nicht zu entkommenden Joker, sie alle gehören so sehr zu „Lego Batmans“ gelebtem (Medien-)Gedächtnis wie seine campy Eskapaden aus den 60ern. Das Camp ist auch das leitende Prinzip des Films, sowohl als Zusammenpferchung vielfältiger Individuen zum Zweck ihrer Gleichmachung als auch Zweckbündnis zwischen Falschem und Richtigem, das der Film den Namen wrongright gibt. Allein im Verbund mit den Comicbösewichten, vereint im Patchworkfamiliengestus, sieht sich der einstige sture loner gemeinsam mit dem neuen Ziehsohn, der Neobürgermeisterin Gothams, bzw. dem Batgirl, und dem alten Butler Alfred, imstande, die Armee der ikonischen Filmmonster aus der Phantomzone, die über die Stadt herfällt, wieder dorthin zu verbannen.
Phantomscherz
Aus dieser hat sich der hauptverantwortliche Drehbuchautor in seiner bisherigen Karriere bereits reichlich bedient, und dabei Unvereinbares recht nonchalant zusammengeführt. Wenn Jane Austen auf Zombies trifft und Abraham Lincoln Vampire jagt, hat Seth Grahame-Smith in die Tasten und die jeweilige Vorlage dabei zu Brei gehauen. Auch er ist, wie Lord und Miller, darin geübt, längst vergessenes Fernsehmaterial fit für die Leinwand zu machen. Wie die Gothic-Seifenoper aus den späten 60er-Jahren wurde allerdings auch ihre Kinoadaption „Dark Shadows“ (2012), von „Batman“ (1989) und „Batman Returns“ (1992)-Regisseur Tim Burton, schnell wieder vergessen. Macht aber nix, denn mit dem Remake von „It“, dem zweiten Teil von „Beetlejuice“ und dem dritten von „Gremlins“ kann Grahame-Smith in ein paar Jahren, dann als Produzent, erneut beweisen, dass Nekrophilie und Popkultur so unterschiedlich nicht sind, sowie schlechter Geschmack schon lange nicht mehr an die „Lüge der Kultur“ (Magnus Klaue) erinnert. Nimmt Kunst „die ihr innewohnende Tendenz“ dazu nicht reflektierend auf, sondern folgt ihm blind, wird sie, wie im Fall der Lego-Filme, nicht nur zur Produktwerbung, sondern auch zur „stumpfsinnigen Werbung ihrer selbst“ (ebd.).
Und stumpfsinnig ist so manches an „The Lego Batman“, was aber nicht so schmerzen würde – gewohnt ist man’s ja schon – wie dass er Gegensätze zum stumpfen Einheitsbrei schlägt. Der Plan der neuen Oberbeamtin, Verbrechen und Recht unterm Denkmantel der Gerechtigkeit, Selbst- und Gewaltmonopoljustiz also zu einer Kraft zusammenzuführen, mit dem Ziel, der Kriminalität ein für alle Mal ein Ende zu machen, kulminiert im Showdown zur kreativen Kollaboration von vigilantes und villains gegen die noch viel größere Bedrohung durch die Aliens und Monster aus der Gefängnisdimension. Der Ausnahmezustand macht so manches Bündnis möglich (und wer sagt, der immense Reichtum der Waynes habe etwas mit der blühenden Gangsterszene in Gotham zu tun, ist ein Schelm). Um die Metropole schließlich vor ihrer buchstäblichen Spaltung zu retten, bilden jene, so scheint’s, die ohnehin schon immer zusammengehört haben, ein buchstäbliches Band – auch hier macht’s das Material wieder möglich – und überwinden die scheinbare Kluft.
Die Reihen fest geschlossen, die Knechtschaft dauert nur noch kurze Zeit
Nach gewonnenem Kampf blickt der Joker Batman in die Augen und zitiert, was viele Antagonisten der Filmgeschichte ihren Widersachern beim endgültigen Zusammentreffen gewohnheitsmäßig entgegenschleudern: „We are not so different, you and I“. „We’re the same / I’m like you / you’re like me / we’re all working in harmony“, heißt es ähnlich im Oscar-nominierten Song des Vorgängers, in dem das Queerpopduo Tegan und Sara mantraartig vorträgt, dass everything awesome sei. In „The Lego Movie“ noch als Verteidigung vollends durchflexibilisierter Dauerkreativität und –juvenilität gegen die ultrakonformistische Einheitsgesellschaft, die damit tagein tagaus terrorisiert wird, in Stellung gebracht, missversteht das Spin-off die Lyrics affirmativ als Handlungsanleitung und damit den Song als englischsprachiges Cover eines Stücks, das einmal als zweite deutsche Nationalhymne die Massen mitmobilisiert hat. Was lehrt der Film also? Wer unbedingt von Amerikanisierung reden will, sollte auch von Zudeutschung nicht schweigen.