Resident Evil 6: The Final Chapter

(F/D/CA/AUS 2016; Regie: Paul W.S. Anderson)

Erkenntnisschock im Horrorschlock: In der Zombienormalität ist Geist Minorität

Vorspann: If you don’t join ‘em, you’re beat

„You can die with them, or you can die for them“, stellt der Director, gespielt von Horrorikone Sigourney Weaver, am Ende von „The Cabin in the Woods“ (2012) die beiden letzten Überlebenden vor die Wahl, die keine ist. Denn sterben müssen sie ja so oder so, sei es nun – verbrämt utilitaristisch – zum Wohle der Menschheit, oder als Strafe dafür, nicht mitmachen zu wollen, was den Untergang der gesamten Zivilisation auch gleich mit sich zieht. In Drew Goddards und Joss Whedons Metahorror-Blockbuster entscheiden sich Dana und Marty, das final girl und der final boy, für die zweite Option, denn, das geben sie zu verstehen: Partizipation bedeutet den Untergang aller in der totalisierten Vernichtungssimulation der Horrorkontroll-Bubble, aber eben nur in Zeitlupe. Dagegenhalten hingegen beschleunigt den Prozess und die ganze Chose ist auch für den Rest schneller vorbei.

Von Baudrillards Kritiksimulation zu Negri/Hardts Multitudlereien reichen die widerständigen Antworten auf die sinisteren Machenschaften des zusammendelirierten weltumspannenden Empires von genuinem Terror bis zu mal mehr, mal weniger gefährlichem Vor-sich-hin-Netzwerken. Sollte sich die zweite, wie in „Cabin“, zu sehr ziehen, dann greift man eben zur ersten. Beide Taktiken verhalten sich zum Betrieb des Bestehenden allerdings wie der verpflichtende power nap im Kreativbüro zur „flachen“ Hierarchie in der Bank: Mitmachen im Racket is key, und eine Alternative, gar eine subversive, gibt es nicht (außer in der Gosse zu landen; aber ein solches Schicksal ist der Totalität genauso integral, die nur so heißt, weil sie eben eine Objektivität bezeichnet). Stets gilt: Man müsse, egal wobei, zwar leiden, ja, beim großen Hobeln fielen beizeiten sogar Späne, Opfer müssten eben sein, Köpfe selbstverständlich rollen, und nach einem harten Tag voll Revolte oder Arbeit winke immerhin Entspannung, auf dass man sich am nächsten wieder gut einspannen kann. Für ISIS-Kämpfer und jene der späten (Klein-)Bobourgeoisie wartet am Ende des Martyriums die ersehnte Erlösung, sei es entweder in Form von Ruhm, Ehre, EU-finanzierten Hinterbliebenenrenten, 72 Jungfrauen oder Zweitwohnsitz am Land bzw. dem Weiterarbeiten-Dürfen mit 72, denn die Selbstverwirklichung darf nie aufhören, selbst nicht beim zuhause Kugelschreiberzusammenbasteln.

Archetypus Postwachstum

Dass die Katastrophe, wovon selbsternannte Revolutionäre meist nicht nur insgeheim träumen, nicht erst bevorsteht, sondern schon längst passiert ist, sowie darin besteht, dass es immer so weiter geht, wusste bereits Walter Benjamin und weiß auch Film noch manchmal. Und so sehr sich religiöse Erweckungs- und Erlösungs- in Widerstandsfantasien in säkularisierter Form manifestieren, so sehr ist (Post-)Apokalypsekino von biblischen Motiven durchzogen, die sich unschwer als solche dechiffrieren lassen. Danas und Martys Entscheidung ist klinisch, weil sie damit den Säuberungswahn aus der Noah-Episode emulieren. Sie handeln den Shareholdern der Umbrella Corp. nicht unähnlich, die den T-Virus im ersten Teil der Gameverfilmungsreihe „Resident Evil“ (2002) nur auf die Menschheit loslassen, um sich, nachdem es seine Arbeit getan hat, auf einer besseren, weil endlich von der Masse befreiten, Welt, einrichten zu können. In „The Cabin in the Woods“ heißt es zwar, frei nach Wolfgang Pohrts „2000 Jahre Abendland sind genug“, „It’s time to give someone else a chance“, aber außer den ancient ones erneut eine Brachfläche zu überlassen, damit die „[ganze chose] auf einer viel tieferen Stufe noch einmal anfangen“ (Adorno/Horkheimer) kann, tun sie damit auch nicht. Ihr vorschneller Aktionismus ist blind, weil sie die Hoffnung auf ein besseres Leben für eine andere Spezies nach dem Ende der ihrigen verblendet, was sie zu guter Letzt auch noch als reaktionäre Antispeziesisten entlarvt.

Der sechste und, wie sich aus dem Titel, der auch nur stimmt, sofern es die Box Office-Einnahmen nicht tun, unschwer erkennen lässt, letzte Teil des nicht totzukriegenden Zombiefilmfranchises, „Resident Evil: The Final Chapter“ (2017), lässt sich auf solche Späßchen nicht ein, ja, ist sogar gegen sie (weswegen sein Ende auch mehr Spaß macht). Nach der Katastrophe warten nicht fließend‘ Milch und Honig, sondern nur noch mehr zähe Trips mit dem Motorrad durch urbane Wüstenlandschaften. Dass aus ihr auch noch Nutzen von ihrem Verursacher geschlagen wird, will Alice, gespielt von Milla Jovovic, unter allen Umständen vermeiden. Um das zu tun, macht sie sich also auf zurück zum Ursprung, dort, wo das T-Virus seinen Anfang genommen hat, in den Hive, die vielstöckige tiefvergrabene Arche, in der das Mittel, das alle Zombies „heilt“, also erlöst von ihrer ewigen Suche nach Hirn, entwickelt wurde. Dass beide, die Umbrella Corp. sowie Alice, zwar dasselbe vorhaben (mit dem Antidot den Erdball von den über sieben Milliarden Untoten zu befreien) aber nicht dasselbe damit bezwecken wollen (ein Utopia für Shareholder zu erschaffen), unterscheidet den Film ihres Gatten Paul W.S. Anderson von vielen anderen ähnlicher Couleur. Das Ziel der Protagonistin ist es nämlich nicht, dass die Vernichtung immer so fortschreitet, sondern sie und damit die Geschichte (also tendenziell auch das Franchise) stillzustellen, um den letzten Überlebenden in den wenigen verbarrikadierten Enklaven, die über den Erdball verstreut sind, den Tod zu ersparen (und der Produktionsfirma die Einnahmen, so scheint‘s, denn international war bisher allen Filmen finanzieller Erfolg beschieden).

All you can eat-Buffet – Die Welt als Beute

Diese Enklaven werden zunehmend von Zombiehorden überrollt, die allerdings, anders als in „World War Z“ (2013), kaum zu sehen sind. Sympathischerweise kommen im letzten Teil keine Hochleistungsleichenmassenpanoramen in den Blick, wie bei Marc Forster, und Untote ohnehin kaum noch vor, außer als müde, sich dahinschleppende Anhängsel eines religiösen Fanatikers, der sich mit Panzern auch auf den Weg Richtung Untergrundbunker macht (je weiter die Reihe voranschreitet, desto mehr sind die hive minded nur noch Ballast, nervige Dingwelt, die halt der Vorlage wegen auch vorkommen muss). Dass der Moses der Postapokalypse ein Klon des CEOs der Umbrella Corp. ist, der sich für das Original hält, ist konsequent: Sie trennt allein der unterschiedliche Aufzug. Die hungrige Masse folgt ihm jedoch nicht ins gelobte Land, sondern bloß dem Fleischgeruch: Zombies haben keine Hoffnung, sie treibt der Instinkt nur zur nächsten Beute, was sie tendenziell den verrohten Lebenden ähnlich macht, von denen es kaum noch Hirn zu holen geben dürfte (Dialog und Action sind meist, nun ja, hirnverbrannt), was schon die durchgesetzte Herrschaft des Ungeists anzeigt (insofern weist „The Final Chapter“ einen materialistischen Einschlag auf – auch nicht schlecht).

In der hirnlosen ewigen Gegenwart modern(en) alle vor sich hin und haften sich an Restbestände, die noch Erlösung versprechen: seien es ein paar Synapsen, Sicherheit in safe spaces, ein Gegengift, das auch Falle sein kann, oder Filme, die mehr auf den Untergang Lust machen als auf dass er nie passieren möge. „Someone once said that it is easier to imagine the end of the world than to imagine the end of capitalism“, heißt es bei Frederic Jameson einmal. Der Wunsch nach dem „Ende aller Dinge“ ist nun mal Symptom des globalen Ungeists; dass hingegen „die Menschheit der Verdinglichung ein Ende machte“, liegt so weit im Bereich des Unmachbaren, wie tabula rasa-Machen für viele die einzige Option ist, wiederum bei Adorno. Im Ansatz kann das Gegenmittel für den T-Virus als Verdinglichungsbeender perspektiviert werden, allerdings nur in Alices Hand, und auch nur, weil sie selbst damit infiziert ist, also unter Aussicht der Selbstaufopferung. Ihre Entscheidung ist aber nicht final: Nach einer beeindruckenden Szene, in der nun doch massenweise Verdinglichte vorkommen, allerdings als massenweise Einknickende, erwacht sie wieder zum Leben.

Ende gut, (nicht) alles schlecht

Am Ende bleibt nicht nur die gedämpft-heroische Geste ohne Märtyrertum, ambivalente Errettung, die von Erlösung nichts wissen will, Abgesang sowohl auf die „orchestrierte Apokalypse“ (wie es einmal im Film heißt) als auch den orchestrierten „Widerstand“. Das Gegengift ist Produkt des weltumspannenden Vernichtungsbetriebs, Alice ein Klon (der seinem reuigen Original in Altersmaske mit Mitgefühl begegnet), der davon nur durch ein zweifelhaftes Komplott der Red Queen erfährt, der Künstlichen Intelligenz, die eigentlich zum Schutz des Konzerns und nach ihrem Ebenbild als Kind erschaffen worden ist (erste Rolle für Ever Anderson, Tochter von Milla und Paul; passend die tagline: „Evil comes home“). Auf gut Glück, denn es könnte ja eine Falle sein, macht sie sich auf den Weg und erkennt, dass es keine ist; unvorhergesehen ist es auch, dass sie am Schluss überlebt (sie stirbt also weder „with“ noch „for them“). Zusätzlich nimmt „Resident Evil: The Final Chapter“ also Partei fürs Artifizielle und den glücklichen Zufall: Das ist gekonnt! Weswegen die mit schlechtem Nu-Metall-Score unterlegten zerschnippselten Actionszenen zwar kaum ärgern, weil sie, wie die Zombies, nun mal nebensächlich sind, dafür aber das ressentimentgeladene und Beifall heischende In-die-Luft-Jagen der versammelten Shareholder im Kryoschlaf umso mehr.

Resident Evil 6: The Final Chapter
(Resident Evil : The Final Chapter)
Frankreich / Deutschland / Kanada / Australien 2016 - 106 min.
Regie: Paul W.S. Anderson - Drehbuch: Paul W.S. Anderson - Produktion: Paul W.S. Anderson, Jeremy Bolt, Samuel Hadida, Robert Kulzer - Bildgestaltung: Glen MacPherson - Montage: Doobie White - Musik: Paul Haslinger - Verleih: Constantin Film - FSK: ab 16 Jahren - Besetzung: Ruby Rose, Milla Jovovich, Ali Larter, Iain Glen, Shawn Roberts, Eoin Macken
Kinostart (D): 26.01.2017

IMDB-Link: http://www.imdb.com/title/tt2592614/
Foto: © Constantin Film