Für die Präsentation eines holografischen Kommunikationssystems hat sich der amerikanische Geschäftsmann Alan Clay (Tom Hanks) in die Wüste Saudi-Arabiens begeben. In einer Stadt, die gegenwärtig nur aus einem Zelt und den Fundamenten einer brachliegenden Baustelle besteht, wartet er mit seinem IT-Team auf den König. Doch wann und ob dieser überhaupt erscheint, bleibt offen. Von der Heimatfront machen indes Alans Chef sowie seine Ex-Frau Druck, weil ersterer auf Erfolgsmeldungen wartet und letztere Geld für das Studium der gemeinsamen Tochter einfordert. Er wolle lieber niemand sein, sagt Alan über seine desolate Situation an einer Stelle der Romanvorlage des literarischen Multitaskers Dave Eggers. Doch als Vertreter muss Alan Clay fortwährend jemand sein. Benommen vom Jetlag und der Hitze macht er sich deshalb daran, die miserable Ausgangslage mit antrainiertem Unternehmergeist zu seinen Gunsten zu wenden. Aber egal was er anstellt, die Menschen um ihn herum haben für seine Fragen nur die immer gleiche Antwort parat: Der König kommt heute nicht. Immer mehr Widersprüche tun sich auf, während Alan wartet und wartet. Alles, so schreibt Eggers, funktioniere „auf zwei Ebenen, der offiziellen und der tatsächlichen“ in diesem sich unter der flimmernden Hitze rätselhaft gebenden Land.
Regisseur Tom Tykwer, der die Widersprüche des Landes am eigenen Leib erfahren musste, weil die Anfrage für eine Drehgenehmigung in Saudi-Arabien weder zu- noch jemals abgesagt wurde, begnügt sich in seiner filmischen Adaption mit der Darstellung der offiziellen Ebene. Das Tatsächliche interessiert ihn kaum. Die werbeclipartige Eröffnungssequenz, die Alan Clays Dilemma beschreiben soll, legt darüber unmissverständlich Zeugnis ab. Während Alan über ein Grundstück spaziert, adressiert er mit einer Ansprache lautstark das Publikum: Es solle sich einmal vorstellen, dass die Insignien des gutbürgerlichen Lebens – mein Haus, meine Frau, mein Auto – ohne jede Vorwarnung verschwinden können. Und prompt verpufft all das tatsächlich unter rosaroten Staubwölkchen. Die rasante Schnittfolge endet mit der Metapher des Lebens als Achterbahn, in der Alan, vom Rhythmus der Bilder getragen, dahinrauscht.
„Ein Hologramm für den König“ ist, das ist ein typisches Merkmal der Filme Tom Tykwers, ganz und gar auf die visuelle Wirkung hin angelegt. Von „Die tödliche Maria“ (D 1993) bis hin zu „Cloud Atlas“ (USA/D/HK 2012) sind seine Filme technisch immer sauberer geworden. Sein unbedingter Stilwille (die Verwendung von Split Screen, ausgeprägte Unschärfen, expressive Lichtsetzung, auffällige Montage, imposante Kamerafahrten) betont den Film in seiner Künstlichkeit so sehr, dass es oft so scheint, als würde die filmische Form überhaupt erst die Figuren aktivieren beziehungsweise deren Handeln motivieren. Die Zeit ist der Handlung gänzlich untergeordnet. Sie kann, wie in „Lola rennt“ (D 1998), sogar außer Kraft gesetzt und zurückgedreht werden, um die Handlung in eine andere Richtung zu lenken. Auch „Ein Hologramm für den König“ eilt von Szene zu Szene, schnell in den nächsten Tag zum nächsten Ereignis.
Die Zeit, die sich mitten in der Wüste in einem Zwischenraum aus ermüdender Erbarmungslosigkeit und meditativer Selbstreflexion ausbreitet und die amerikanische Geschäftigkeit aus den Angeln hebt, ja ihrer physikalischen Grundlagen beraubt, will Tykwer dem Zuschauer nicht zumuten. Stur rumpelt er durch den Roman und bebildert das geschriebene Wort. Der gedankliche Raum des manchmal etwas streberhaften Romans verliert sich bei Tykwer in der Konkretheit des Visuellen. Das Offizielle in Form des oberflächlichen Handlungsgerüsts siegt über das Tatsächliche der Temporalität und damit über die Möglichkeit Fragen nach einem Zugang zur dargestellten Welt zu stellen.
Mithilfe der filmischen Sprache zwingt Tykwer seinen Protagonisten fortwährend zum Handeln, wohingegen Dave Eggers eine Person zeigt, die nicht mehr in der Lage ist, auf die Situation, in der sie sich befindet, angemessen zu reagieren. Und während er am Schluss von einer großen Traurigkeit spricht, die alles einschließt, biedert sich Tykwer mit Gesten der Versöhnung und einer schauderhaft inszenierten Romanze an. Er macht Alan Clay wieder zum Gewinner einer menschenverachtenden Globalisierung. Die leisen Zwischentöne der geschriebenen Sprache können dem Druck des visuellen (Handlungs-)Fortschritts nicht standhalten.
Dass Clay und seinesgleichen so sehr „Nutznießer absurder Geschenke“ sind, dass sie nur noch von der eigenen Gesundheit geplagt werden, verkehrt der Regisseur in einen allzu leichten Selbstfindungstrip. Er unterschlägt, dass Alan in einer zentralen Szene beinahe einen Jungen erschießt, weil er selbst „keine Geschichten voller Tapferkeit hatte“ und „weil seine Versuche, so etwas wie ein Vermächtnis zu schaffen, gescheitert waren.“ Wie das Hologramm selbst sind die Figuren eine Täuschung. Sie haben ihre eigene Geschichte den Maßstäben der Rationalisierung und Optimierung unterworfen, weshalb es ihnen an Orientierung fehlt.
Tom Tykwers Film ist dem zu präsentierenden Hologramm und den Figuren in diesem Punkt sehr ähnlich. „Ein Hologramm für den König“ ist hübsches aber anspruchsloses Blendwerk, das von Tom Hanks – dessen humoristisches Talent in der Darstellung des Absurden hier kaum genutzt wird – nicht getragen werden kann.