Sie könne mit diesem ganzen Marvel-Zeug nichts anfangen, erklärte mir kürzlich eine Freundin auf die Frage hin, ob sie nicht „Batman V Superman“ sehen wolle. Sie müsse verstehen, erwiderte ich, Batman, dieser so ernste, um stete Ordnung bemühte Großkapitalist, sei der Held meiner Kindheit. Na, da sehe man gleich, wo wir uns unterscheiden: Ihre Heldin war diese fröhliche Rebellin mit Superkräften – Pippi Langstrumpf. Mal ganz im Ernst, dachte ich da, wieso eigentlich nicht: „Batman vs. Pippi Langstrumpf“? Gäbe das dem Franchise nicht eine ganz neue Wendung? Natürlich schwappen uns eingefleischten DC-Fans da die Ressentiments aus der Galle: Nur widerwilligst bewegen wir uns ja schon zwischen den beiden hegemonialen Territorien der Comic-Landschaft; und auf einmal wird da mit der Emigration nach Schweden gedroht? Doch dann, andererseits, wäre das doch auch nichts anderes als derselbe Heros in zwei Gestalten, die sich gegenseitig über einen Ozean hinweg aus ihren Territorien herausschleifen würden.
Zack Snyder, der Sinn für heikle Begegnungen schon in seinem Frühwerk bewiesen hat, lässt stattdessen zwei ur-amerikanische Narrative aufeinandertreffen (oder amerikanische Ur-Narrative, vielleicht trifft auch am genauesten: amerikanisch-narrative Urheit): Der Ziehsohn eines Farmers aus Kansas, mit der Hoffnung und den Idealen des Rednecks und aber überirdischen Kräften, der kreuzt seinen Weg mit dem des traumatisierten Milliardärssohnes, dem sich infolge des Mordes an seinen Eltern ein unstillbarer Gerechtigkeitsdrang eingeschrieben hat, welcher die Ungerechten tyrannisiert, indem er seinen Träger in die Selbst-Stählung treibt.
Produziert wurde mit dieser Begegnung nicht ganz l’art pour l’art, aber l’art pour l’Amérique, ein Reigen zahlloser Zitate und Selbstbezüglichkeiten, die den Film in eine große Tradition spannen: Die soll ihn tragen, während er darin selbst hängt wie ein Sack fauler Erdäpfel. Ohne seine Referenzen, auf die er sich verlassen kann; das heißt ohne die Gemeinplätze, die sich über seine Abgründe erstrecken, würde der Film umfallen, und keine Kraft könnte ihn dabei auffangen.
Eigentlich fällt so viel in diesem Film, dass er tatsächlich eines Superman bedarf, der das alles noch stabilisiert: Die Perlen fallen vom Hals der erschossenen Mutter, in Szene gesetzt als gelte es, für Tiffany zu werben. Bruce Wayne fällt in die Bathöhle. Der Bösewicht, Doomsday, fällt gleichermaßen vom Himmel wie scheinbar aus einem anderen Film (während Weta Digital die Gelegenheit am Schopf packte, um die alten Höhlentroll-Texturen aus den digitalen Archiven zu heben). Lois Lane fällt; und das tut sie, jetzt im übertragenen Sinne, sogar ununterbrochen. Tatsächlich geht sie in ihrer Rolle als damsel in distress so sehr auf, dass die spätere Einführung von Wonder Woman mehr wie ein Verlegenheitsakt angesichts drohender Sexismusvorwürfe wirkt. – Kommt ersterer zumindest in ihrer Hilflosigkeit eine zentrale Funktion im Handlungsgeflecht zu, besitzt letztere eigentlich kaum eine Funktion, die über die Wirkung des Paukenschlags hinausgeht.
Ja, die Paukenschläge. Fragte ich mich am Anfang noch, welche Motive des Scores wohl von Hans Zimmer stammen und welche von Junkie XL, wirbelt zuletzt alles in einem erschlagenden Einerlei, das auf nichts als auf die Dumpfheit der Schläge und Kampflaute abzielt, von denen der Film zuletzt gänzlich eingenommen wird. Immerhin, die maßlose Klimax ist auch eine Form von dramaturgischer Konsequenz: Wo viele nach der titelgebenden Prügelei mit einer Ruhephase rechnen und viele Regisseure, denen noch nicht Hören und Sehen vergangen ist, diese auch setzen würden, setzt Snyder noch etwas drauf. Schlag. Auf. Schlag. Auf Schläge und Tritte und Würfe folgen bedeutungsschwangere Worte, die uns vor allem erzählen, wie bedeutungsschwanger sie sind, bevor wieder Schläge folgen und Tritte und Herumwirbeln in der Luft und Atombomben und … irgendwann dachte ich mir, Zack Snyder hätte so viel von Pippi Langstrumpf lernen können.
Der Film wird weder sehenswert durch seinen Bombast noch durch seine Referenzen oder wortwörtlichen Zitate, die besser direkt in Frank Millers „The Dark Knight Returns“ konsumiert werden; allein seine Darsteller machen ihn interessant. Jesse Eisenberg als ein junger Lex Luthor wirkt in seiner befremdenden Genialität wie aus der Einöde sozialer Netzwerke geboren; Jeremy Irons gibt dem Butler Alfred eine Coolness, die der früheren Fürsorge Michael Caines geradezu entgegensteht; und Ben Affleck ist, auch wider meinen eigenen Erwartungen, ein grandioser Batman, und vielleicht – abgesehen von seinen inszenierten Hantelschwingereien, mit denen dort Identifikationspotential geschaffen wird, wo es eigentlich zu problematisieren wäre – der beste Bruce Wayne, der bisher im Kino zu sehen war.