Zuletzt dann auch noch als Stimme bei Schulz und Böhmermann. Selbst wer aus guten Gründen nicht ins Theater geht, wer eher keine „Springer“-Magazine wie „Allegra“ liest, einen Bogen um sogenannte Bestseller und Bestseller-Listen macht, keine Kolumnen auf Spiegel online liest und nicht twittert, dürfte an der Aufgabe scheitern, die fortwährend kolumnierende und twitternde Bestseller-Theaterautorin Sibylle Berg nicht auf die eine oder andere Art zu »kennen«. Wie man so eine Medienfigur halt so kennt, die mit interessanten und viel versprechenden Zuschreibungen wie „Hasspredigerin der Singlegesellschaft“ oder „Kassandra des Klamaukzeitalters“ von Kritikern geschmückt wird, die sie in der Regel verehren. Weil sie so eine freche Schnauze hat und dann auch noch so frappant hässlich ist, dass es einem fast schon wieder als schön erscheinen mag.
Kurzum: Sibylle Berg ist eigentlich ein Fall für „Akte X“, ein unter die Menschen gefallender Alien. Traurig, einsam, kindlich, misantrophisch, intelligent, schnell und böse. Oder doch nicht? Da müsste doch etwas zu erzählen sein, werden sich auch die Filmemacherinnen Sigrun Köhler und Wiltrud Baier („Böller & Brot“) gedacht haben. Machbar, zumal Berg 2013 vor Ort am Stuttgarter Staatstheater eine Inszenierung eines ihrer Stücke begleitete. „Begleiten“ ist ein gutes Stichwort, denn die Filmemacherinnen begleiten die streitbare Autorin mit der Kamera. Mal in Stuttgart bei der Theaterarbeit, mal auf Wohnungssuche, mal auf Reisen, mal bei Veranstaltungen und mal im Privaten. Leider (natürlich!) ist die ständige Präsenz der „Doku-Schlampen“ (O-Ton: Berg) der Autorin etwas unangenehm, denn entgegen ihrem Ruf scheint Sibylle Berg ein scheuer und verschlossener Mensch zu sein, der die Zeitläufte eher aus der Distanz beobachtet und darauf dann mit lakonisch vorgetragenen Pointen und Zuspitzungen reagiert, die dann vor laufender Kamera auch gerne mal implodieren.
Berg scheint durchaus gewillt zu liefern, nur wird offenbar sehr wenig gefordert. So läuft der Film ausgesprochen lange hohl, weil der Zuschauer mit Bergs Einlassungen alleine gelassen wird. Einmal mehr rächt sich hier die dokumentarische Mode der montierten Kommentarlosigkeit, die eben nicht in jedem Fall Freiheit der Assoziation evoziert. Die sich gerne ironisch gebenden Filmemacherinnen geben zu verstehen, dass sie sich mit ihrem Film auch über den klassischen Literaturfilm lustig machen wollen. Das nennt man dann wohl Verdoppelung der Verweigerung, denn auch Berg macht sich ja über die Zumutungen des Filmporträts lustig. So erleben wir den offenbar begriffslosen Architektur- und Mode-Fan Berg in Los Angeles bei der in holprigstem Englisch staunenden Besichtigung der legendären Sheats-Goldstein-Residence, wo ihr von James Goldstein erst einmal eine Lektion in Sachen Coolness erteilt wird. Hilflos flüchtet Berg sich in die Rückversicherung in Richtung Kamera.
Skizzenhaft klappert der Film ein paar biographische Stationen Bergs ab: das Leben in der DDR, die Mutter Alkoholikerin, die Ausreise, Clown-Schule im Tessin, der lange Weg zur Bestseller-Autorin, der Autounfall – beim Sehen wünscht man sich, den Andeutungen hinterher zu googlen. Später im Film tauchen dann auch noch die Kollegin Helene Hegemann („Axolotl Roadkill“) und die Schauspielerin Katja Riemann auf, aber auch mit diesen Begegnungen weiß der Film wenig mehr anzufangen, als dass er eben Zeuge der letztlich ziemlich oberflächlichen Begegnung ist. Zwischenzeitlich hat der Zuschauer reichlich Gelegenheit, Berg dabei zuzuschauen, wie sie sich beim spröden Erzählen an den viel zu großen Füßen spielt, sich Bilder von Geschlechtskrankheiten anschaut, ab und zu einen Witz oder eine pfiffige Bemerkung versucht und nebenher immer wieder die Konstellation von Subjekt und Objekt in Frage stellt, indem sie die Kamera direkt adressiert.
Spannend ist das Ganze nun wirklich nicht, agierte Berg nicht mitunter eben auch arg affektiert, hätte man fast schon Mitleid mit ihr, dass sie aus diesem faden, mit ein paar formalen Mätzchen (Untertitel!) versehenen Projekt nicht ausstieg. Die Banalität des Bösen, einmal anders. So atmet man schließlich doch auf, wenn mit Bergs Verlegerin Kerstin Gleba und ihrem Lektor Wolfgang Matz zwei Personen vor die Kamera treten, die nicht nur spielen wollen, sondern etwas Verbindliches aus einer Außenperspektive zum Gegenstand des Porträts mitzuteilen haben. Aber zu diesem Zeitpunkt ist der Film, dessen Titel nicht grundlos das Fragezeichen fehlt, schon fast vorbei. Und irgendwie, denkt man, wäre das den Filmemacherinnen auch zu verbindlich. Könnte man doch eine Haltung zum Gezeigten ahnen.