Eine herbstlich-melancholische Stimmung grundiert Thomas Vinterbergs neuen Film „Die Kommune“, der auf ganz unterschiedliche Weise von Abschied und Neubeginn handelt. Eriks (Ulrich Thomsen) Vater ist gestorben. Er hinterlässt seinem Sohn, einem Architektur-Dozenten um die Vierzig, eine stattliche Villa mit Garten in einem vornehmen Viertel Kopenhagens. Doch Erik will die eine Million Kronen schwere Immobilie lieber verkaufen, als sie mit seiner Frau Anna (Trine Dyrholm) und der 14-jährigen Tochter Freja (Martha Sofie Wallstrøm Hansen) selbst zu bewohnen. Das Haus sei zu groß und zu teuer. Man verliere sich darin, sagt Erik, während welkes Laub durch die Straßen treibt und er sich an seine Kindheit erinnert. Da hat Anna, die sich nach Veränderung sehnt, eine Idee: Wie wäre es, eine Kommune zu gründen, „um das phantastische Haus mit phantastischen Menschen zu füllen?“
Mitte der 1970er Jahre fällt dieser Vorschlag schnell auf fruchtbaren Boden: Die Utopie eines freien Zusammenlebens, bestimmt von gegenseitiger Offenheit und Toleranz, sind in Mode; das hierarchielose Kollektiv wird zum Modell für die neue Großfamilie. Und genau eine solche konstituiert sich nach einigen Vorstellungsrunden und intimen Bekenntnissen. Das ausgelassene, gemeinsame Nacktbaden ist für den enthusiastischen Beginn des Experiments fast schon obligatorisch. Doch im Stimmengewirr einer von viel Alkohol und dichtem Zigarettenrauch angefüllten Atmosphäre verliert der Einzelne an Gewicht, was vor allem der mitunter autoritär aufbrausende Erik schmerzlich zu spüren bekommt. Als er sich in seine 24-jährige Studentin Emma (Helene Reingaard Neumann) verliebt und diese bald darauf in die Wohngemeinschaft einzieht, wird das labile Gleichgewicht der Gruppe empfindlich gestört.
Vor allem Anna, die als TV-Nachrichtensprecherin arbeitet, leidet zunehmend unter der neuen Konstellation. Zwar gesteht sie Erik anfangs das „Recht“ zu, „seine Gefühle auszuleben“, gerät durch die schizophren anmutende Wohn- und Lebenssituation aber in eine schwere psychische Krise. In mehreren Parallelmontagen kontrastiert Vinterberg Annas bitteres Leiden mit den neuen emotionalen (Liebes-)Aufbrüchen in ihrer Familie. Zugleich zeigt sein sehenswerter Film, wie ein verletztes Individuum die Freiheitsträume des Kollektivs erschüttert. Betroffen vom allgegenwärtigen Gefühlschaos sind dabei vor allem die Kinder, die der dänische, selbst in einer Kommune aufgewachsene Regisseur nicht nur zu stillen Beobachtern macht, sondern zu starken Repräsentanten eines „Zeitalters der Liebe“. Dessen Ende scheint mit dem Verlust der Utopien zwar besiegelt, doch der zerbrechliche Kreislauf des Lebens kündet zugleich von einem Neubeginn.
Hier gibt es eine weitere Kritik zu ‚Die Kommune‘.