Kalt, karg und rau ist die weite schottische Landschaft, in der die Figuren, in groben, schwarzen Stoff gehüllt, wie Verlorene stehen. Nur die vernarbten Gesichter, von den lodernden Flammen eines Scheiterhaufens erhellt, stechen daraus hervor und vermitteln ein Bild existentieller Entbehrungen. Feuer und Tod, Verlust und Trauma sind allgegenwärtig in Justin Kurzels bildgewaltiger Neuverfilmung von William Shakespeares düsterer Tragödie „Macbeth“ über den Aufstieg und Fall des titelgebenden Heerführers; einem Stoff, dem sich in der Vergangenheit bereits so namhafte Regisseure wie Orson Welles (1948) und Roman Polanski (1971) gewidmet haben. Mit wallendem Nebel, Schlamm und Dreck – gedreht wurde während der kalten Wintermonate in der englischen Grafschaft Cambridgeshire – beschreibt der australische Regisseur die Unwirtlichkeit einer fernen, mittelalterlichen Zeit des 11. Jahrhunderts, die von Krieg, mysteriösen Prophezeiungen und Wahnsinn bestimmt wird. Macbeth (Michael Fassbender), von Machtgier und Schicksalsglaube getrieben, ist ihre Verkörperung.
Zunächst ist der Than von Glamis jedoch ein siegreicher Held in Diensten des schottischen Königs Duncan (David Thewlis). Die brutale Schlacht bei Forres zu Beginn des Films, in der Macbeth dem Verräter Macdonwald gegenübersteht, gibt davon Zeugnis. Von gewaltiger Musik und martialischem Geschrei eröffnet, inszeniert Kurzel ein wüstes, blutrünstiges Gemetzel. In einem brachialen Kampf geht es Mann gegen Mann, während Kampfgetümmel die Luft erfüllt und sich der Himmel blutrot färbt. Doch immer wieder werden die Kriegshandlungen durch Zeitlupe verlangsamt und angehalten, mischen sich Visionen Macbeths, in denen er die drei weissagenden Hexen sieht, in das Geschehen. Ist es nur eine Täuschung der Sinne, wenn diese ihm später prophezeien, dass er König von Schottland werden wird? Seine Frau (Marion Cotillard), deren Antlitz klassisch-antike Schönheit ausstrahlt, nimmt die Worte der „Schicksalsschwestern“ jedenfalls zum Anlass, ihn – nicht zuletzt sexuell – zum Königsmord zu verführen.
Macbeths Zögern und inneres Ringen, Ausdruck einer skrupulösen Menschenliebe, währen allerdings nur kurz. Zu stark werden sein angestachelter Ehrgeiz sowie seine stolze Männlichkeit herausgefordert. Sein rücksichtsloser, von grausamen Morden beförderter Aufstieg zum Usurpator und Tyrannen steht allerdings von Anfang an im Zeichen des Wahnsinns, der sich in „Bildern der Furcht“ und einer Vision seines getöteten Verbündeten Banquo (Paddy Considine) ausdrückt. Machthunger und Schuld, Schicksalsglaube und Selbsttäuschung vermischen sich darin. Sie führen Macbeth, von seinen inneren Dämonen getrieben, in eine von innerer Leere bestimmte Isolation, die schließlich auch seiner Frau zum Verhängnis wird.
Trotzdem bleibt Macbeths menschliche Tragödie, seine Verwandlung von einem wahrhaftigen Menschen in einen blindwütigen Tyrannen merkwürdig blass und nur mäßig spannend. Sein inneres Drama wirkt so äußerlich wie sein durchgehend nachdenklicher Tonfall, der – zumindest in der deutschen Synchronfassung – keine Gemütsschwankungen zu kennen scheint. Zwar ist Justin Kurzels Film in seiner Beschwörung einer dunklen Epoche und mit seinen vielen realistischen Details visuell eindrucksvoll gestaltet, doch Shakespeares 400 Jahre alter Theatertext, der erfreulicherweise beibehalten wird, mag sich mit ihm nicht recht verbinden und ragt förmlich wie ein Fremdkörper aus dem in Cinemascope gedrehten Bilderrausch. Die alten Worte und die neuen Bilder finden zu keiner Einheit, während es heißt: „Leben ist nur ein wandelnd Schattenbild“; und der depressive Fatalismus des gefallenen Helden, seine Verblendung und sein wahnhafter Irrglaube in eine zu späte Resignation münden. Ob darin auch eine Einsicht liegt, bleibt zweifelhaft. Wahrscheinlicher scheint es, so deutet der Film am Schluss an, dass sich der vermessene Frevel gegen die „natürliche Ordnung“ fortsetzten wird.