Interessant eigentlich, wenn man sieht, wie dieser Tage ein großes Aufsehen gemacht wird um gefälschte Abgaswerte bei VW-Dieselmotoren und wenn man dann erfährt, dass andere, potentiell ebenso gefährliche Gase tagtäglich mal in kleineren und mal in größeren Mengen in mit Menschen gefüllte abgeschlossene Räume geleitet werden. Und das seit Jahren, und keiner tut was dagegen. Die Rede ist von Flugzeugkabinen und zwar Kabinen sowohl für Passagiere als auch für die Crew, inklusive der Piloten.
Knapp einer Katastrophe entging ein Flug von Wien nach Köln, bei welchem kurz vor der Landung beide Piloten einen merkwürdigen Geruch im Cockpit bemerkten um kurz darauf an Übelkeit, Taubheitsgefühlen und Tunnelblick zu leiden. Beide setzten sich Sauerstoffmasken auf und schafften mit letzter Kraft einer Ohnmacht zu entgehen und die Maschine zu landen, der Kopilot war noch Wochen darauf arbeitsunfähig. Die Öffentlichkeit erfuhr nichts.
Laut Tim van Beveren, dem ehemaligen Piloten, Autoren und Regisseur der filmischen Langzeitrecherche „Ungefiltert eingeatmet“ und einer Reihe unabhängiger Wissenschaftler war dieses Ereignis weder ein Einzelfall noch ein Zufall, denn immer wieder erkrankten Menschen bei oder nach Flügen an ähnlichen Symptomen, die auch als „Gulf War Syndrome“ bekannt sind, Krankheitsbilder, die durch Nervengifte hervorgerufen werden können, z.B. wie den Organophosphaten Sarin und Tabun. Es sind ebenso Organophosphate, die den Triebwerksölen moderner Düsenflugzeuge beigefügt werden, um sie trotz der großen Temperaturunterschiede in den Triebwerken funktionabel zu halten und eben die darin enthaltenen Gifte können in das Innere des Flugzeugs geraten, weil – und die wenigsten Passagiere ahnen das – die Luft in den Passagierräumen ebenso wie die Luft im Cockpit direkt von den Triebwerken abgenommen wird, man nennt diese Luft deshalb auch „Zapfluft“ .
Nachweisbare Folgen dieser Gefahrenquelle waren schwere z.T. irreversible Erkrankungen beim Flugpersonal und Fluggästen, der Tod eines vorher unter schweren posttoxischen Symptomen leidenden Piloten (bei seiner Autopsie waren unnatürlich massive Nervenschädigungen nachweisbar) sowie ein unbeirrbares Schweigen, Ignorieren oder Verharmlosen durch die Verantwortlichen in der Luftfahrtindustrie und in den Fluggesellschaften, die offenbar lieber sehenden Auges das Risiko eingehen, durch schleichende Vergiftungen einzelne Personen zu gefährden, gar im Zweifel den Absturz hunderter Menschen hinnehmen würden, als nur einmal darüber nachzudenken, ob man wenigstens Filter zum Schutz der Kabinenluft einbauen sollte, oder ob man nicht zurückgehen sollte zu einer in den Fünfzigern schon lange erprobten und unbedenklichen anderen Gewinnung der Atemluft.
Doch die Verantwortlichen leugnen die Gefahren, verweigern das offene Gespräch und die Selbstkritik und versuchen zu verheimlichen, dass z.B. das Flugpersonal nach der Landung mit dem Krankenwagen abtransportiert werden muss.
Detailliert und unpolemisch erläutert und zeigt Autor und Regisseur van Beveren das Problem um das „Aerotoxische Syndrom“. Er interviewt Experten, Mediziner, Ingenieure, Besatzungsmitglieder und Augenzeugen. Er trägt eine Vielzahl von aufschlussreichen internen Dokumenten zusammen. Er begleitet zwei Jahre lang die pathologischen Untersuchungen um die Todesumstände des im Jahr 2012 verstorbenen britischen Piloten Richard Westgate, der um seine Art Erkrankung wusste und bewusst seinen Körper der Wissenschaft vermacht hatte, um Erkenntnisse über die Art seiner Vergiftungen zu ermöglichen. Van Beveren scheut keinerlei Anstrengung und er erspart sich keine Mühe, um den Fall, oder soll man sagen: den Skandal, gründlich von allen Perspektiven her auszuleuchten; und wenn man zu wenig von der Perspektive der Verantwortlichen – und dazu zählen auch Politiker, die keine Verantwortung übernehmen möchten – zu sehen bekommt, liegt das vermutlich daran, dass diese bisher nicht ernsthaft diskussionsbereit waren, dass sie lieber schweigen und sich auch begründeten Warnhinweisen nicht stellen wollten.
Vielleicht wird sich das noch ändern, bevor es zu einer Flugkatastrophe als Folge des Aerotoxischen Syndroms gekommen ist. Dieser Film wäre zum Beispiel ein guter Anlass für eine Revision. Die von van Beveren befragten Experten sind sich jedenfalls einig: Nach dieser Katastrophe wird alles ganz schnell möglich sein.