„Architekten schaffen Raum für das Leben“, lautet einer der ersten Sätze des Films. Geäußert wird er von einem Professor namens Reger (Dietrich Körner), der für sein visionäres, funktionsübergreifendes Bauen, das die Begriffe Leben und Wohnen zusammen denkt, bekannt, bei manchen auch berüchtigt ist. „Häuser zu bauen, die ihren Bewohnern das Gefühl von Freiheit und Würde geben, lautet insofern auch das hehre Ideal seiner gelehrigen Schülerin Franziska Linkerhand (Simone Frost). Die 26-jährige, noch ziemlich jung und sehr energisch wirkende Diplom-Architektin strebt aber nach Unabhängigkeit und sucht mutig das „Risiko statt Sicherheit“. Dafür will sie sich weder in Geduld üben noch vorschnell klein beigeben. Franziska stellt Forderungen an sich und an das Leben, möchte bleibende Werte schaffen. Jedoch fühlt sie sich zugleich „mies, alt und verbraucht“. Nacht acht Jahren ist ihre früh eingegangene Ehe mit dem Arbeiter und Trinker Wolf (Uwe Kockisch) gescheitert. Desillusioniert konstatiert sie: „26 Jahre und noch nicht gelebt, nur geträumt.“
Lothar Warneke inszenierte die ersten Szenen seines 1980 entstandenen Films „Unser kurzes Leben“ vor der im Dunst liegenden barocken Stadt-Silhouette Dresdens (worüber neben anderem seine Szenaristin Regine Kühn im Audiokommentar der DVD Auskunft gibt). Entstanden nach Motiven von Brigitte Reimanns unvollendet gebliebenem, posthum 1974 erschienenem Entwicklungsroman „Franziska Linkerhand“ sowie in die Gegenwart verlegt, bricht die idealistisch gesinnte Heldin auf in die Provinz einer mittleren Kreisstadt der DDR, um in einer Mischung aus Unbeugsamkeit und früher Desillusionierung noch einmal von vorne anzufangen. Bezeichnenderweise führt sie ihr Weg zur neuen Arbeitsstelle über den örtlichen Friedhof, wo ein steinerner Engel zum stummen Zeugen und irgendwie auch Tröster ihrer Kämpfe wird.
Dass die von Buch und Film thematisierte Diskussion um ein menschenwürdiges Wohnen schließlich auch die innere Problematik der sozialistischen Gesellschaftsordnung spiegelt, erläutert Lothar Warneke in einem kurzen Zeitzeugengespräch, das sich ebenfalls auf der DVD findet. Demnach bewegt sich der Konflikt zwischen den von der Politik formulierten sozialen Ansprüchen und den begrenzten Möglichkeiten einer „Mangelgesellschaft“. Anschaulich wird das am industriellen Wohnungsbau, der sich mit seiner rein funktionellen Ausrichtung an den Rändern historischer, zunehmend verfallender Altstädte ausbreitet. Genau an dieser kontrastreichen historischen Schnittstelle, an der „Wohnungen ohne Stadt“ entstehen, setzt Franziskas kritische Auseinandersetzung mit ihrem bereits ernüchterten und angepassten Vorgesetzten Horst Schafheutlin (Hermann Beyer) an.
Überraschend offen wird dieser Konflikt um „die Stadt als Kulturvermittlerin“ ausgetragen, wobei Hoffnungen enttäuscht werden, ohne deshalb zu verschwinden. Darüber hinaus vermittelt der soziale Realismus des Films eine detaillierte Ansicht des gesellschaftlichen Lebens, insbesondere in Bezug auf die Situation der Frauen. Zwischen Aufbruch und Desillusionierung, Idealismus und Resignation spricht der Film mit der Stimme seiner Heldin über den Mut zur Veränderung und zugleich über die Vergänglichkeit aller Bemühungen im Strom der Zeit.