Der schlaue Dr. Pym (Michael Douglas) pimpt den subatomaren Raum. Das von ihm kreierte Pym-Partikel ermöglicht es den Abstand zwischen den Atomen zu verringern und somit Lebewesen als auch Gegenstände zu schrumpfen. Doch schon bald erkennt er, dass die Erfindung für militärische Zwecke missbraucht werden soll. Er versteckt alle Unterlagen sowie einen für Verkleinerungen konzipierten Anzug hinter schwerem Stahl und zieht sich aus seiner eigenen Firma zurück. Sein ehemaliger Protegé Darren Cross (Corey Stoll) übernimmt daraufhin die Leitung des Unternehmens und will das Pym-Partikel auf eigene Faust herstellen, was ihm nach vielen Jahren und einigen Fehlversuchen schließlich gelingt. Nun benötigt Dr. Pym einen Helfer, der Cross daran hindern soll, das Verkleinerungsserum sowie den dazugehörigen Kampfanzug „Yellowjacket“ an die üblen Schergen von HYDRA zu verschleudern. An dieser Stelle kommt der soeben aus dem Gefängnis entlassene Elektrotechniker Scott Lang (Paul Rudd) ins Spiel, der seiner Tochter endlich ein gutes Vorbild sein will und sich von Dr. Pyms Plänen sowie dessen Ant-Man-Anzug überzeugen lässt. Auf Ameisengröße geschrumpft, macht sich Scott auf die Socken die Welt vor größerem Unheil zu bewahren.
Flugs entwickelt sich ein wilder Ritt, dessen Dynamik sich durch die beständig wechselnden Größenverhältnisse ergibt oder vielmehr ergeben soll. „Ant-Man“ kehrt die Gigantomanie der letzten Marvel-Verfilmungen sowie des aktuellen „Jurassic World“ (USA 2015; R: Colin Trevorrow) vermeintlich um und präsentiert uns einen Mikrokosmos, in dem Ratten und Modelleisenbahnen zu kolossalen Gefahren werden. An der bewährten Formel ändert sich also eigentlich nichts. Eine ins Negativ verkehrte Krawallorgie bleibt eine Krawallorgie, wenngleich die Dosierung hier tatsächlich angenehmer ausfällt. Aber so sehr „Ant-Man“ physische Fallhöhe mithilfe der blitzartigen Umkehrung von Groß und Klein zu erzeugen versucht, so sehr wurde das dramaturgische Gegenstück dazu vernachlässigt. Unter diesem Blickwinkel kann der Film als Metapher für das Grundproblem des gesamten Marvel-Cinematic-Universe (MCU) verstanden werden. Während sich in jedem neuen Film immer größere Gefahren übereinander türmen und dadurch eine dramatische Fallhöhe suggerieren, zerfallen die Dramaturgien der einzelnen Werke sowie die alle Filme verbindende Erzählung zu atomarem Staub.
Wie ein Suchbild im Micky-Maus-Heft mit vielen kleinen Hinweisen auf die Comics und Anspielungen auf noch folgende Teile taumeln die Filme (begleitet von einer endlosen Zahl an TV-Serien weiterer Superhelden) ihrem Finale im Jahr 2019 schematisch entgegen und vergessen darüber ihre Helden. So wie Scott eine halbgare Nebengeschichte um seine Tochter (die in der Comicvorlage todkrank ist) in der Hoffnung angedichtet wird ebenjene erzählerische Fallhöhe herzustellen, so unbeholfen fielen bereits die Avengers ihren ungelenken Backstory-Träumen in „Avengers: Age of Ultron“ (USA 2015; R: Joss Whedon) zum Opfer.
Paul Rudd spielt den Ameisenmann, für den viel zu wenig auf dem Spiel steht, mit einer Überdosis Selbstironie als humorvolle Version Ben Afflecks hölzern an die Wand. Ironie funktioniert eben nur dann, wenn sie die Figur nicht beschädigt. Sie bricht und stärkt als Mittel der Selbstvergewisserung den Charakter gleichermaßen. In ihrem inflationären Gebrauch stellt sie allerdings nur einen verzweifelten Versuch dar miserable Figurenzeichnung zu verschleiern. War die Selbstironie eines Tony Stark in „Iron Man“ (USA 2008, R: Jon Favreau) noch erfrischend, zeugt die Tendenz der aktuellen Marvel-Filme zur Selbstironie von erzählerischen Verlegenheit.
Und auch die visuelle Aufmachung von „Ant-Man“ ist – typisch Marvel – ein Einheitsbrei von solcher Einfallslosigkeit und Uneigenständigkeit, wie sie allgemein unter dem Vorzeichen der gegenwärtigen Serialitätsphantasien zum bemitleidenswerten Standard geworden ist. Die negativen Folgen einer wechselseitigen Beeinflussung von Kino und TV(-Serie) lassen sich derzeit nirgendwo besser beobachten als in den Superheldenfilmen der Marvel Studios. Jeder einzelne Film sieht genau so aus, wie ein Big-Mac schmeckt.
Die schlichte Frage, was aus „Ant-Man“ hätte werden können, wenn er außerhalb des Marvel-Concept-Stores als freie Adaption der Comicvorlage entstanden wäre, wenn das Spiel mit missratenen Verkleinerungsexperimenten („Die Fliege“; USA 1986; R: David Cronenberg) oder düsteren Ängsten davor ewig klein bleiben zu müssen („Die unglaubliche Geschichte des Mr. C“; USA 1957; R: Jack Arnold) tatsächlich ausgereizt worden wäre, dürfte angesichts des mittlerweile zwölften (!) Ablegers des Marvel-Cinematic-Universe ein defätistisches Abenteuer sein. In der aktuellen Versessenheit auf alles seriell Hergestellte bedeutet nichts zu wagen, den größtmöglichen Erfolg zu generieren. Dementsprechend wird uns ein Sprung von der Teppichkante als riskante Unternehmung verkauft.