Irgendwo im Atlasgebirge steht einsam ein Schulgebäude und morgens kommen aus dem Nichts plötzlich Kinder unterschiedlichen Alters herbei gelaufen, um von ihrem Lehrer Daru unterrichtet zu werden. Der lehrt sie auch Dinge von geringem Belang, denn noch ist Algerien eine französische Kolonie, wenngleich schon Bürgerkrieg herrscht. Dass Daru im freiwillig gewählten Abseits davon nicht tangiert würde, von dieser Illusion befreit uns der Film schnell.
Daru bekommt den Auftrag, den Mörder Mohamed der französischen Gerichtsbarkeit zuzuführen. Eine Reise, die mehrere Tage in Anspruch nimmt und nicht ganz ungefährlich – wie sich schnell herausstellt. Mohamed will auf eigenen Wunsch der Justiz überstellt werden, um so seine Familie vor der Logik der Blutrache zu schützen. Als sich Daru der Aufgabe nicht entziehen kann, sind die beiden Männer für die Zeit der Reise aneinander gekettet, zumal Mohamed die Gelegenheiten zur Flucht, die der unwillige Daru ihm bietet, nicht nutzt.
Welche Gefahren drohen, wird schnell klar, denn der Frontverlauf im gespaltenen Land ist undurchsichtig. Zudem treten Verwandte von Mohameds Opfer auf, die Rache wollen. Während also Daru und Mohamed durch die karstige Wüstenei wandern, erhalten beide Figuren die Gelegenheit, mehr von sich zu erzählen, ihre Motivation offen zu legen. Auch dies geschieht sehr souverän und zurückhaltend.
1957, drei Jahre nach Beginn des Unabhängigkeitskrieges, veröffentlichte Albert Camus seine parabelhafte Erzählung „Der Gast“, die bei ihm noch kurz vor dem Kriegsausbruch spielt. Unübersehbar geht es hier um den Akt des Handelns, der als Revolte gegen die Ausweglosigkeit, als Freiheit empfunden werden kann. Mohamed wählt den Tod, aber den Tod durch die Guillotine und nicht den Tod durch die Blutrache, der die Gewalt fortschreiben würde. Daru, der sich eigentlich raushalten möchte, um seine Einsamkeit zu bewahren, wird durch Ereignisse gezwungen, Stellung zu beziehen.
Regisseur David Oelhoffen hat aus dem Stoff – eigentlich nahe liegend – von der ersten Szene an einen Western gemacht, ziemlich konsequent und voller Verbeugungen vor Genre-Momenten klassischer Western. Während die beiden Protagonisten sich einander annähern (wobei der Film stets darauf pocht, die kulturell-religiöse Differenz nicht zu negieren), erleben sie abenteuerliche Begegnungen mit fanatischen Siedlern, auf Rache sinnenden Männern aus Mohameds Dorf, mit Kämpfern der FLN und schließlich auch mit französischen Elite-Soldaten, die im Hinterland keine Gefangenen machen. Die Handlung spielt sich ab in einer archaisch-schroffen Natur, die durch Cinemascope die menschenfeindliche Landschaft noch erhabener und die Menschen darin noch kleiner werden lässt.
Am Schluss wird Mohamed tatsächlich die Wahl zwischen Leben und Tod haben, während es für Daru kein Zurück ins alte Leben „den Menschen so fern“ mehr geben kann. Inmitten des herrschenden Krieges wird es keine Versöhnung geben, stattdessen geht es um das nackte Überleben und das Wahren der Menschenwürde. Die Reduktion auf das Essentielle wird noch unterstrichen durch die eindrucksvolle, gleichfalls sehr reduzierte, fast schon abstrakte Filmmusik von Nick Cave und Warren Ellis.
„Den Menschen so fern“ ist vielleicht kein Meisterwerk, aber als philosophischer Western eine schöne Erinnerung an Klassiker von Budd Boetticher oder die frühen Western von Monte Hellman. Und gewiss nicht arm an Momenten, die das Geschehen mühelos auf unsere Gegenwart beziehbar macht. Sehenswert!
Hier gibt es eine weitere Kritik zu 'Den Menschen so fern'.