In „Jurassic World“, dem anderen Tierhorrorfilm, der diesen Monat im Kino startet, kommt es anscheinend zu einer ungewöhnlichen Allianz zwischen zwei Spezies. Zumindest legt das der Trailer nahe, der zeigt, wie ein Rudel Raptoren bereitwillig und handzahm dem von Chris Pratt verkörperten Helden folgt, als der mit einem Motorrad durch den Dschungel düst. Dass die populären Killermaschinen aus den ersten drei „Jurassic-Park“-Teilen nun mit den Menschen gemeinsame Sache machen sollen, das erscheint erst einmal kontraintuitiv und hat wenig überraschend für eine Kontroverse unter Fans der Dino-Saga gesorgt. Konsequent ist diese Entwicklung jedoch, wenn man einerseits bedenkt, wie den Velociraptoren spätestens mit „Jurassic Park III“ ein komplexes Sozialverhalten abseits von Töten und Fressen zugestanden wurde. Andererseits reicht ein Blick auf die Bestiarien der um Distinktion bemühten Blockbuster der letzten Jahre wie das „Planet der Affen“-Reboot, um zu zeigen, dass eindimensionale Menschenfresser out sind – in der unvermeidlichen Berührung und gegenseitigen Durchdringung von Monströsem und Menschlichem lauert schließlich ein viel größerer Schrecken.
Als unzertrennlich werden auch die beiden Protagonisten von Kornél Mundruczós „Underdog“ vorgestellt: Die Teenagerin Lili (vielversprechend: Zsófia Psotta) lebt zusammen mit ihrer Mutter und deren neuen Freund in Budapest, ihre Liebe gilt jedoch vor allem ihrem Hund Hagen (dargestellt von den 2014 in Cannes mit dem Palm Dog Award ausgezeichneten Hunden Luke und Body). Der gutmütige Mischling soll natürlich auch mit, als das Mädchen für einige Zeit zu seinem entfremdeten Vater Dániel (Sándor Zsótér) ziehen muss, weil die Mutter eine Reise nach Australien plant. Doch für Dániel ist der Hund mehr eine Last als ein bester Freund, und auch die neugierige Nachbarin wird nicht müde zu betonen, dass Promenadenmischungen im Haus unerwünscht sind und registriert werden müssen. Bald schon steht ein Mitarbeiter des Tierheims vor der Tür und verlangt von Lilis Vater Geld, damit er Hagen weiterhin in der Mietwohnung halten darf. Dániel stellt seine Tochter vor die Wahl: Entweder kommt der Hund ins Tierheim oder er wird ausgesetzt. So landet Hagen schließlich auf den gefährlichen Straßen Budapests, wo sich bereits hunderttausende Artgenossen tummeln.
Mit dem schmerzhaften Auseinanderreißen der beiden Hauptfiguren beginnt auch der Film sich zu spalten und streunt munter durch verschiedene Genres: Lilis Coming of Age wird im Modus eines spröden Arthouse-Dramas nachvollzogen, während Hagen zunächst ein Abenteuer auf vier Pfoten erlebt und hinter einer Metzgerei gleich auf ein ganzes Rudel neuer Gefährten trifft. Beinahe niedlich und ziemlich menschelnd inszeniert Mundruczó die hündische Parallelgesellschaft, sodass stellenweise Erinnerungen an Disney-Kitsch wie „Zurück nach Hause – Die unglaubliche Reise“ (1993) geweckt werden. Nicht weniger sentimental, aber deutlich düsterer nimmt sich hingegen Hagens Leidensweg aus, der folgen soll, nachdem der Hund von einem Obdachlosen verkauft und von seinem neuen Besitzer zum Kampfhund ausgebildet wird. Ähnlich wie in Robert Bressons „Zum Beispiel Balthazar“ (1966) verknüpft die Montage die animalische Passionsgeschichte dabei mit dem Heranreifen der menschlichen Heldin und entdeckt dabei verwirrende Parallelen.
„Der Mensch ist des Hundes Wolf“, könnte man formulieren, um die Entwicklung Hagens vom lieben Haustier zur blutrünstigen Bestie durch Menschenhand zusammenzufassen. Im Finale kulminiert die Dehumanisierung des zuvor zum Menschen verklärten Hundes schließlich in einer grausigen Rachefantasie; denn wenn Hagen und seine vierbeinigen Kumpanen schon zu einem Hundeleben verdammt sind, dann soll dieses wenigstens nach selbstbestimmten Regeln erfolgen. Der zähnefletschende letzte Akt beschwört etwas halbherzig die Schreckensvision/Utopie eines Planeten der Straßenköter und bringt nicht nur Lili und Hagen wieder zusammen, sondern erstaunt erneut mit einem krassen Stimmungswechsel.
Wirklich rund ist Mundruczós Film selten, zudem bleiben die politischen Anspielungen beliebig und der Horror zu routiniert, um ernsthaft zu schockieren. Am ehesten vermag „Underdog“ noch als Drama zu überzeugen, das von einer jungen Protagonistin zwischen pubertärem Trotz und stolzem Widerstand sowie ihrer außergewöhnlichen Freundschaft zu einem Hund erzählt. Im poetisch entrückten Schlussakkord, der sich der Fortsetzungslogik der Dino- und Affenbanden entzieht, gelingt Mundruczó zudem doch noch eine treffende Pointe: Mutet das Ende zwar arg versöhnlich an, so lässt sich das doch auch als Errettung einer unangemessenen Fantasie vor der Wirklichkeit verstehen. Mit Hinblick auf die raue Realität ist eine filmische Vision zahmer Friedlichkeit sowie ein sich glatt in Nichts auflösender Konflikt vielleicht bissiger als jedes ins nächste Sequel fortgetragene Unbehagen.