Beim Thema Angst denkt der Kinogeher wohl zuerst an „Augen der Angst“, den verstörenden Thriller mit Karlheinz Böhm. Sonja Heiss geht es aber nicht um die Furcht vor einem irren Killer, sondern um ein ganz bodenständiges Problem: Manchmal wird ein Familienmitglied von einer unerklärlichen Angststörung heimgesucht. Doch wie gehen die anderen damit um? Mit dieser beklemmenden Problematik setzt die Regisseurin sich auseinander. In ihrem Film ist eine Frau die Hauptfigur. Es geht um Hedi Schneider, die, wie der Titel sagt, „fest“ steckt. Warum das so ist, bleibt (zunächst) auf eine beunruhigende Art unverständlich.
Dabei sieht alles zunächst ziemlich rosig aus. Hedi, gespielt von Laura Tonke, radelt unbeschwert durch Frankfurt. Wir sehen keine stylischen Bilder der Skyline, die Mainmetropole wird eher zurückhaltend fotografiert. Dafür springen die quietschbunten Klamotten der lebensfrohen 40-Jährigen ins Auge, die wie eine Seelenverwandte der liebenswürdigen Sally-Hawkins-Figur aus Mike Leighs Komödie „Happy-Go-Lucky“ erscheint. Ihr eintöniger Job im Reisebüro ist zwar nicht das Gelbe vom Ei. Ihr zwanghaft-nerdiger Mitarbeiter, der ihr eine Art Szene macht, weil sie dessen Kaffeetasse versehentlich benutzt, gibt eine Vorahnung dessen, was Hedi erwartet. Privat scheint bei ihr aber alles im Lot zu sein. Mit ihrem verständnisvollen Partner Uli, von Hans Löw als Bilderbuch-Papa gespielt, und ihrem kleinen Sohn Finn (Leander Nitsche) lebt sie offenbar vergnügt in den Tag hinein.
Plötzlich ist Schluss mit lustig. Hedi wird von einer Panikattacke heimgesucht. Sie glaubt einen Schlaganfall zu erleiden. Der alarmierte Notarzt kann zwar kein medizinisches Problem feststellen, doch der unerklärliche Alpdruck bleibt. Ist Hedi etwa, wie es im „Asterix“-Comic heißt, der Himmel auf den Kopf gefallen?
Ein bemerkenswertes filmischen Sujet, denn Angst hat kein Gesicht. Im Gegensatz zur Furcht vor einer lokalisierbaren Gefahr ist sie objektlos, lässt sie sich nicht wirklich bebildern. Regisseurin Sonja Heiss weiß das aus eigener Erfahrung und versucht gar nicht erst, die Panikattacken mit formalen Tricks wie schrägen oder verwackelten Bildern zu visualisieren. Der Autorenfilmerin, die sich nach ihrem Debüt „Hotel Very Welcome“ von 2007 zurückmeldet, geht es um die Lebenssituation ihrer Heldin. Die „steckt fest“ – so kündigt es bereits der Titel an. Doch wo klemmt es denn in ihrem scheinbar so stressfreien Dasein? Der Fahrstuhl, in dem sie zu Beginn eingeschlossen wird, kann es nicht sein. In dieser klassischerweise furchterregenden Situation zeigt Hedi keine Spur von Panik. Ganz locker schäkert sie via Gegensprechanlage mit dem Reparaturtechniker: „Bitte einen Cheeseburger“.
Die komödiantische Situation im Aufzug erscheint aber wie eine Metapher für Hedis Leben, das sich auf den zweiten Blick schon etwas anders darstellt. Zu Beginn, als die Welt noch in Ordnung schien, tun Hedi, Uli und ihr Sohn so, als würde sie ein erlegtes Stofftier verspeisen. Am Ende verkleiden die drei sich im Norwegen-Urlaub mit lehmverschmierten Gesichtern und Baströcken als Eingeborene, die mit der Natur eins sein wollen. Offenbar denken progressive Eltern sich pädagogisch einfühlsam in die Wahrnehmung ihres Kindes hinein. Nun ja, manchmal wirkt das spielerisch leicht, und man möchte mitmachen. Dem Spiel kommt dabei allerdings eine immer seltsamer werdende Doppelbedeutung zu. Hedi und Uli spielen permanent – vor allem sich selbst, sogar beim Sex. Nicht zufällig beginnen dabei Hedis Panikattacken. Das Spiel erscheint nicht immer spielerisch – hier scheint Hedi irgendwo fest zu stecken.
In einer interessanten Szene gibt Hedis Mutter (Margarita Broich) zu verstehen, dass sie mit dem diffusen Thema Angst nichts anfangen kann und will. Wenn sie, die Mutter, es erwischt, dann nimmt sie eine kalte Dusche. Oder sie isst etwas. Als Hedi das mitgebrachte Essen nicht anrührt, mampft Mama es selbst. Im Stehen. In Szenen wie dieser ist der komödiantische Blick überzeugend.
Mamas buchstäbliche Küchenpsychologie hilft Hedi aber nicht weiter. Es folgen ergebnislose Besuche beim Neurologen, dem Therapeuten und in einer Zoohandlung. Wir erleben das aus Hedis Perspektive wie absurdes Theater. Wenn sie ihre Tranquilizer wie bunte Smarties einwirft, dann startet sie aus der Angstdepression zur Party durch. Absturz inklusive. Filmisch wirkt dieser Trink- und Tablettenexzess zuweilen etwas aktionistisch. Zumal Laura Tonke sich dabei weniger wie eine Frau mit Angststörung, sondern wie ein trotziges Kind aufführt.
Für ihren Mann Uli ist dieser emotionale Pflegefall bald zu viel. Er geht fremd, worauf der Film seine Heldin auffällig lange alleine lässt, um sein Intermezzo mit einer aparten Gehörlosen (Melanie Straub) zu schildern: Interessanterweise ist dies der einzige Moment des Films, in dem die Figuren sich nichts vormachen. Bei seiner Rückkehr scheint Hedi sich gefangen zu haben, bietet aber ein seltsames Bild. Aus dem Kassettenrekorder plärrt das Bratkartoffellied vom Berliner Grips Theater. Mit sichtlich gequältem Blick fordert Hedi ihren zurückgekehrten Mann auf, wie üblich in ein Rollenspiel mit ihrem Kind mit einzusteigen. Routine hilft ihr offenbar aus dem quälenden Würgegriff der Angst heraus. Man möge doch wieder so tun, als wäre man Vater, Mutter und Sohn.
Das diffuse Neben-sich-Stehen bekommt der Film aber nicht wirklich in den Griff. Dazu wird die Hauptfigur, eine schwermütige Pippi Langstrumpf, zu sehr gefeiert. Laura Tonke hat starke Momente, wenn sie sich mit Hans Löw über vermeintliche Kleinigkeiten in die Haare bekommt. Doch ihr Outfit mit den riesigen bunten Kirschen auf dem Pullover drückt eine demonstrative Infantilisierung aus, eine „erlernte Hilflosigkeit“, die im Film weniger reflektiert als zelebriert wird. So hinterlässt das komische Drama trotz berührender Momente einen ambivalenten Eindruck. Laura Tonke spielt die schillernde Hauptfigur zuweilen etwas manieriert, als käme sie von diesem Trip, eine Kindfrau sein zu wollen, nie runter. Sie hat zwar einen kleinen Sohn, doch man hat nicht wirklich das Gefühl, dass sie seine Mutter ist. Nicht nur Hedi Schneider, sondern auch der Film steckt zuweilen fest. Obwohl die Außenaufnahmen Frankfurt zeigen, erinnern die Innenaufnahmen an einen dieser typischen Berlinfilme, in dem die Charaktere immer im eigenen Saft schmoren. Man glaubt zu verstehen, wo Hedi steckengeblieben ist. Sie ist nicht wirklich angekommen in diesem Leben, in dem die Party zu Ende ist und jemand den Müll vor die Tür bringen muss. Sehenswert ist der ambitionierte Versuch über Angst aber dennoch.