Der Dokumentarfilm beeindruckt durch die schier unerschöpfliche Fülle von Bild- und Archivmaterial, moderiert von einer emotionslosen Stimme, die der formelhaften Juristensprache in Strafprozessen entspricht. Erste Hälfte der sechziger Jahre. Der Auschwitz-Prozess, initiiert gegen die öffentliche Meinung („Wann ist endlich Schluss?“) vom Frankfurter Generalstaatsanwalt Fritz Bauer, richtet sich gegen ausgewählte SS-Männer vor Ort, Mörder in eigener Sache, Angeklagte wie Wilhelm Boger („Der Teufel von Auschwitz“), angetrieben von purer Mordlust. – Und das ist das Besondere am Film. Es ging (noch) nicht um den Holocaust (ein noch unbekanntes Wort damals), sondern um Menschen, die in den Aufnahmen der Tatzeit, aber vor allem in den Aufnahmen aus dem Prozess mit ihren harmlosen Mittelstandsgesichtern unangenehm nahekommen, gern auch karrieregeile Akademiker, die „nur ihre Pflicht“ taten. Väter waren das oder Großväter – vor den Leichenbergen, die der Film dem Prozessablauf einfügt. Der Kontrast ist schwer erträglich. Er schreit nach einem Ausbruch, nach Emotion. Der Ausbruch wird nicht geliefert, er wird uns auch nicht durch einen Kommentar, wie wir es heute von unseren TV-Medien gewöhnt sind, abgenommen. Los, Du bist jetzt dran! Mach was draus! Du selber!
Der Film wird eingeleitet von Archivmaterial, das die Vorgeschichte der Judenverfolgung und der Mordaktionen zeigt. Der Mittelteil folgte streng dem Prozessablauf bis zum Urteil vom 19. August 1965, beginnend mit der Entscheidung von Fritz Bauer, fürs erste nur wenige Einzeltäter, stellvertretend für alle anderen, zu zeigen. Und für die Vertreter der Staatsanwaltschaft junge Staatsanwälte einzusetzen, die der Auseinandersetzung mit den „Vätern“ ein neues Gesicht gab. Diese Disposition funktionierte. Als ich exakt zum Schluss des Auschwitzprozesses als junger Staatsanwalt, 32, zur Zentralstelle in Ludwigsburg zur Verfolgung von Nazi-Verbrechen abgeordnet wurde, hatte ich diesen Elan, diesen Zorn, mit dem wir was anfangen konnten. Wir haben uns, hallo, politisiert.
Zurück zum Film, dritter Teil. Prof. Dr. Micha Brumlik kommt auf die Einmaligkeit des Holocaust zu sprechen. Völkermorde gibt es zahlreich, viele uneingestanden (die Armenier). Aber den Mord an Millionen industriell auszuschlachten, blieb dem deutschen Volk vorbehalten. – In den Songs von Hans Söllner schließlich wird gefragt, wie wir heute mit Minderheiten umgehen, die zunächst unerwünscht sind, bis dann zur Tat geschritten und das Asylheim angezündet wird.
Dieser Text erschien zuerst in: Konkret 04/2015