Zum fünfzigsten Geburtstag von Alice (Julianne Moore) versammelt sich die Familie im vornehmen Restaurant. Die Howlands sind eine sehr normale, glückliche Familie aus dem amerikanischen Akademiker-Milieu: Vater John (Alec Baldwin) arbeitet als Krankenhausarzt; die älteste, schon verheiratete Tochter Anna (Kate Bosworth) ist Juristin, während ihr Bruder Tom (Hunter Parrish) mit seinem Medizinstudium dem Vater nacheifert; nur Lydia (Kristen Stewart), die Jüngste, schlägt etwas aus der Reihe, weil sie als Schauspielerin ihr Glück in Los Angeles versucht. Ihre Mutter Alice wiederum unterrichtet als Professorin für Linguistik an der Columbia Universität in New York. Als bei ihr, der Sprachwissenschaftlerin, eine frühe, erbliche Form der Alzheimer-Krankheit diagnostiziert wird, stellt das die Familie auf eine harte Belastungsprobe.
Doch die beiden Filmemacher Richard Glatzer, der selbst schwer erkrankt ist (an ALS), und sein Arbeits- und Lebenspartner Wash Westmoreland deuten in ihrem berührenden Film „Still Alice – Mein Leben ohne Gestern“ die daraus resultierenden Konflikte nur an. Vielmehr konzentrieren sie sich in ihrer Adaption des Erfolgsromans der Neurowissenschaftlerin Lisa Genova auf die subjektive Perspektive und innere Erlebniswelt der Protagonistin: Wie Alice etwa immer häufiger unter Erinnerungsstörungen leidet, wie sie einmal beim Joggen die Orientierung verliert, bald ihren Beruf aufgeben muss und sich zunehmend ausgegrenzt fühlt. Die Bilder des renommierten französischen Kameramanns Denis Lenoir, der viel für Olivier Assayas gearbeitet hat, unterstreichen auf intensive Weise diese intime Nähe. Bei einem neurologischen Test beispielsweise ist in einer langen Einstellung nur die antwortende Alice zu sehen. In anderen Szenen verschwimmt der Erkrankten ihr Blick auf die Welt; oder sie findet sich isoliert von ihrer Familie in einer Sofa-Sitzgruppe.
Glatzer und Westmoreland parallelisieren in der Struktur ihres Films Alices Krankheitsverlauf mit der Schwangerschaft ihrer ebenfalls positiv auf Alzheimer getesteten Tochter Anna, die Zwillinge erwartet. Das Leben geht weiter, während Alice gegen ihre inneren Widerstände sich und damit ihre Identität immer mehr verliert. „Es ist, als ob unter mir der Boden wegbricht“, sagt sie nach den ersten Anzeichen „kognitiver Einschränkungen“. Später dann, im fortgeschrittenen Stadium der Erkrankung, als sich ihr Alltag immer weniger aufrecht erhalten lässt, fühlt sie sich, „als fände ich nicht mehr zu mir.“ In dieser Phase, in der Alice „die Kunst des Verlierens erlernt“, wie sie in einem bewegenden Vortrag vor der Alzheimer Gesellschaft ausführt, tauchen immer wieder Erinnerungen in Form von Fotos und Super-8-Familienfilmen auf. Schließlich geht es den beiden Regisseuren mit ihrem Film, der sich am Schluss im Weiß der Leinwand auflöst, während die Buchstaben des Titels „Still Alice“ immer kräftiger hervortreten, nicht zuletzt um familiären Zusammenhalt und die Kraft der Liebe. Julianne Moore wurde übrigens für ihre beeindruckende Darstellung der Titelheldin mit dem Oscar ausgezeichnet.