Eine Rezension zu einer Serie von Kultfilmen zu verfassen, stellt den Rezensenten vor die Frage, welche Worte denn überhaupt dem (deutschsprachigen) Diskurs über die Filme noch irgendetwas hinzufügen könnten. Eingefleischte Fans wissen längst, wie über den einsamen Wolf und sein Kind gesprochen wird, und da könnte der Rezensent entweder einstimmen und sich als einer der ihrigen erweisen; oder er widerspricht und erweist sich als Spielverderber bzw. schlicht und einfach als Ahnungsloser.
Diejenigen, die andererseits weniger mit dem Bild des kinderwagenschiebenden Ronins vertraut sind, können sich im Netz relativ schnell die zentralen Schlagworte zusammenkratzen. Der erste Teil der Serie, der nicht weniger intensiv von Sex und Gewalt erzählt als die folgenden, wird z.B. vom katholischen Filmlexikon als zwar „verstörender Film“ geführt, aber „auf ästhetisch hohem Niveau“. ARTE strahlte die sechs Filme, die nun auf Blu-ray erschienen sind, 2010 interessanterweise in der Kategorie „Trash“ aus. Vielleicht ist damit das Spannungsfeld abgesteckt, welches es so schwer macht, sich hier von Schlagworten zu distanzieren: In „Lone Wolf and Cub“ verliert die ästhetisierte Gewalt ihre Verhältnismäßigkeit und wird zum trashigen Selbstzweck, was einem gefallen kann, oder eben nicht; beginnt man hingegen über diesen Umstand nachzudenken, muss man bald feststellen, dass man nicht mehr über den Film, sondern über ganze Genres spricht. Nicht zuletzt dies verleiht den nicht minder gewalttätigen Zitaten in den Filmen von Tarantino ihre Pointe – die Exzesse von „Kill Bill“ sind selbstreferentiell und verweisen als Zitate dennoch auf ganze Genre-Traditionen. „Kill Bill“ war stark von „Lady Snowblood“ inspiriert, ein Rachefilm, der auf einem Manga von Kazuo Koike basierte. Von diesem Autor stammt auch die Mangaserie „Lone Wolf and Cub“, die von 1972 bis 1974 zum Teil verfilmt wurde.
„Lone Wolf and Cub“ konfrontiert mit einem unbarmherzigen Herrschaftssystem im Japan des 17. Jahrhunderts. Der Shogun wählt brutale Mittel, um seine Macht zu sichern. Die Abfertigung unliebsamer Untergebener ist dabei an drei Klans delegiert: Der Kurokama-Klan soll die Fürsten ausspionieren; der Yagyu-Klan soll Verdächtige liquidieren; und Itto Ogami ist der sog. „Kaishaku-Nin“ des Shoguns – er assistiert beim Seppuku, dem rituellen Selbstmord, indem er den in Ungnade gefallenen Adligen den Kopf abschlägt. Wie um das System zu definieren, mit dem es der Zuschauer nunmehr zu tun bekommt, beginnt der erste Teil, „Das Schwert der Rache“, mit der Enthauptung eines Kindes. Aufgrund einer Intrige des Yagyu-Klans fällt Itto Ogami selbst in Ungnade; seine Familie wird bis auf seinen Sohn Daigoro ermordet; anstatt selbst Seppuku zu begehen, sinnt er auf Rache. Fortan schiebt Itto Ogami als Ronin auf den Spuren Toshiro Mifunes einen schwer bewaffneten und gepanzerten Kinderwagen mit seinem Sohn vor sich her und verdingt sich als Auftragsmörder für den Pauschalpreis von 500 Ryo (der japanische Untertitel, wenn man ihn übersetzt, lautet: „Kind und Fähigkeiten anzubieten“).
Während es der Antagonismus zwischen Itto Ogami und den Yagyus ist, der alle sechs Teile verbindet, sind die jeweiligen Spannungsbögen der Filme mitunter so schwach ausgeprägt, dass die Erzählung in einzelne Episoden zerfällt, was ihnen mehr den Charakter einer TV-Serie verleiht. Der Zuschauer scheint sich dabei zunächst ein wenig in der Rolle Daigoros zu befinden, der aus seinem Kinderwagen relativ unbeteiligt ein Geschehen verfolgt, das aus Intrigen, Blutfontänen und nackter Haut besteht. Spätestens als sich der leicht herangereifte Daigoro dann im fünften Teil („Der weiße Pfad der Hölle“) so diszipliniert wie sein Vater (welcher im 3. Teil eine Folter über sich ergehen ließ) öffentlich auspeitschen lässt, um seine Ehre zu bewahren, fühlt man sich in eine distanziertere Position genötigt. Was zeigen die Filme denn immer wieder aufs Neue? Die Hierarchie einer feudalen Gesellschaft, an der auch der herrenloseste Samurai noch immer zu partizipieren hat; diese ausweglose Hierarchie wird als brutal und ungerecht entlarvt, während die Gewalt, die sie notwendig hervorbringt, ästhetisiert wird. Ähnliche Ambivalenzen wirken in vielen Filmen, „Lone Wolf and Cub“ macht sie aufgrund seiner Bildsprache allerdings besonders eindringlich spürbar. Dass Mise en scène und Montage mitunter exzellent sind, sagt im Grunde bereits das zitierte Urteil des Lexikons.
Zur Blu-ray: Die Filme wurden neu vom Master abgetastet. Das Bild ist gut, nur zuweilen wirkt es leicht körnig. Jeweils zwei Filme wurden auf eine Blu-ray gespielt, die drei Datenträger werden in einer entsprechenden Hülle im Blu-ray-Format verwahrt, die ein Wendecover enthält. Die Plastikhülle steckt in einem Pappkarton-Schuber. FSK 18-Logos prangen zwar auf den einzelnen Datenträgern, weder aber auf der blauen Hülle noch auf dem Karton. In Zeiten, wo sonst vor allem Werbebroschüren beiliegen, sollte das 16-seitige Booklet positiv hervorgehoben werden, für das ein informativer Text verfasst wurde. Als „Bonus“ wurden die jeweiligen Filmtrailer auf die Datenträger gebannt. Die Filme sind nicht synchronisiert, sondern nur mit der Originaltonspur zu sehen. Der meiner Ansicht nach größte Kritikpunkt ist, dass nur deutsche Untertitel zugeschalten werden können.