Die Dibbuks lassen sie einfach nicht in Ruhe. Adriana Altaras wähnt sich verfolgt von den Geistern ihrer jüdischen Vorfahren. Erinnerungsstücke, alte Fotos und Super-8-Filme, sorgsam verwahrt in alten Koffern, fordern die in Deutschland aufgewachsene Schauspielerin und Autorin immer wieder auf, sich mit ihrem familiären Erbe und infolgedessen mit der schweren Geschichte ihrer Eltern und Großeltern auseinanderzusetzen. 1960 als „Partisanentochter“ in Zagreb geboren, als Kind von einer Tante am Gardasee betreut, bevor sie schließlich mit sieben Jahren von ihren nach Gießen exilierten Eltern in ein Internat an einer hessischen Waldorfschule gegeben wird, ist ihr diese noch unerforschte, von Gerüchten und Legenden umlagerte Vergangenheit stets gegenwärtig. Da rät ihr eine befreundete Astrologin zu einer Reise in die Vergangenheit, um sich von den quälenden Geistern zu befreien.
Nach dem Motto „Die Vergangenheit ist jetzt“ fährt Adriana Altaras also zunächst nach Gießen, wo ihr Vater als international renommierter Radiologe arbeitete, während ihre Mutter als Architektin beim Bauamt beschäftigt war und das hessische Landjudentum erforschte, das hessische Landjudentum erforschte und den Wiederaufbau der Synagoge initiierte. Dabei erfährt sie, dass die Eltern trotz ihrer exponierten Stellung als Juden möglichst unauffällig bleiben wollten. Was den charmanten Vater allerdings nicht hinderte, in Gießen eine jüdische Gemeinde zu gründen und diverse Liebesbeziehungen mit jüngeren Frauen einzugehen. Auf Altaras‘ weiteren Reisestationen in Italien, Slowenien und Kroatien geht es zwar auch um die Enthüllung von Familiengeheimnissen und die Entzauberung von sagenumwobenen Heldengeschichten; immer deutlicher rückt jedoch das schwere jüdische Erbe ins Zentrum, das geprägt ist von Verfolgung und Vertreibung, von damit verbundenen kulturellen Brüchen und noch immer schmerzenden Wunden.
In ihrem dokumentarischen Roadmovie „Titos Brille“, das auf dem gleichnamigen tragikomischen Romanbestseller von Adriana Altaras basiert, begleitet die Regisseurin Regina Schilling die verzweigte Spurensuche ihrer Protagonistin. Deren resolutes Temperament, eine Mischung aus unverstellter Direktheit und tabulosem Witz, dominieren den Film, der neben die Begegnung mit Zeitzeugen an Originalschauplätzen immer wieder historische Filmaufnahmen aus dem Familienfundus stellt. Damit werden – gewissermaßen durch die Härten der individuellen Lebensgeschichte hindurch – auch historische Hintergründe anschaulich. Schließlich entscheidet sich Adriana Altaras ihr Erbe zu bewahren, indem sie es (mit)teilt. Denn, so zitiert sie eine Verwandte: „Wer zu viel wegwirft, ist ein Faschist.“