„In dieser Geschichte geht es um ein Anti-Bild der Liebe”, hat die österreichische Filmemacherin Jessica Hausner über ihren neuen, als “romantische Komödie” annoncierten, Film “Amour fou” in einem Interview mit Kurier.at gesagt. Dass es in der historisch verbürgten Beziehung zwischen dem Schriftsteller Heinrich von Kleist und der verheirateten Henriette Vogel tatsächlich um Liebe gegangen sein könnte, sei zwar möglich, so die Regisseurin; Hausners Blick auf das ungleiche Verhältnis und ihre Interpretation der daraus resultierenden doppelten Selbsttötung demontieren jedoch gründlich den Mythos des romantischen, sich im gemeinsamen Tod verwirklichenden Liebesideals. Vielmehr geht es in ihrem mit höchster Sorgfalt und Präzision komponierten Film um die austauschbaren Projektionen von Liebessehnsüchten, den Zufall der Wahl und die grundlegende Einsamkeit des Menschen im Angesicht des Todes.
Bezogen auf den Titel, ist in „Amour fou“ folgerichtig nicht das Begehren der Liebenden „rasend“ oder „verrückt“, sondern das Wesen der Liebe selbst hat einen „Knacks“. Gleich zu Beginn, nach Mozarts Lied über Goethes masochistisches Liebesgedicht „Das Veilchen“, identifiziert sich Henriette (Birte Schnöink) einfühlend mit Kleists „Marquis von O….“, wenn sie über deren Verhältnis zu ihrem Vergewaltiger bemerkt: „Man sagt, man fühlt das eine und möchte doch das andere.“ Dieses paradoxe Wechselspiel zwischen Sehnsucht und Gefühl setzt sich fort im Dualismus von Körper und Seele, der sich in Henriettes (seelischer) Krankheit manifestiert, von der es einmal heißt, sie sei eine „Einbildung, die so wirklich ist wie die Wirklichkeit“. Diese Wirklichkeit ist zu Beginn des 19. Jahrhunderts zwar schon infiziert vom freiheitlichen Geist der französischen Revolution, doch die starren Konventionen und standardisierten Rituale bestimmen noch sehr deutlich die preußische Gesellschaft. Entsprechend statisch ist Hausners ausgefeilte Inszenierung, in die das förmlich- steife Spielen und Sprechen der durchweg hervorragenden Schauspieler eingepasst ist, die sich wie „Puppen in einem Marionettentheater“ bewegen.
Gerade gegen dieses engstirnige, allzu abgezirkelte Dasein rebelliert der an sich und am Leben leidende Dichter Heinrich von Kleist (Christian Friedel). Als überempfindlicher Außenseiter und pathetischer „Zaungast im Leben“ trägt er seinen Weltschmerz und seine Todessehnsucht offen, ja geradezu offensiv vor sich her. Seine freimütig und mit aufrichtigem Ernst vorgetragene Suche nach einer seelenverwandten Partnerin fürs Sterben beinhaltet deshalb nicht nur Züge männlicher Hybris und egoistischer Überspanntheit, sondern wirkt mitunter unfreiwillig komisch, wenn nicht gar lächerlich. Sein absurdes, sehr wankelmütiges Projekt, das in einem merkwürdig künstlichen, irgendwie willkürlichen Arrangement gipfelt, zeigt sehr deutlich, dass auch der unglückliche Dichter mit der „wunden Seele“ nicht immer ganz genau weiß, was er will und deshalb seine Sehnsuchtsprojektionen zwischen Wunsch und Wirklichkeit immer wieder neue justieren muss. Denn in Jessica Hausners Film ist Henriette Vogel gegenüber Kleists Kusine Marie (Sandra Hüller) gewissermaßen nur „zweite Wahl“. Seine Eifersucht, künstlerische Erfolglosigkeit und ein männlich-dominanter Zerstörungswille lassen diesen nach Unsterblichkeit lechzenden Todessüchtigen nicht gerade sympathisch erscheinen.
Man könnte sagen, Jessica Hausner ironisiert mit ihrem formvollendeten, erlesen schönen Film die Momente deutlich herausgestellter tragischer Ironie, um die sinnlose „Romantik“ des Geschehens darzustellen und zugleich die Tragik des Geschehens zu dekonstruieren. Im spannungsvoll wechselwirkenden Kontrast dazu stehen ihr distanzierter, teils unterkühlter Blick, die elaborierte Sprache der Dialoge und die historisch genaue Ausstattung. Die Distanz wird dadurch ebenso genährt wie aufgehoben: Die Figuren agieren wie vor einem in freundliche Farben getauchten Gemälde, das sie einerseits modelliert, andererseits verschluckt.