Früher war alles eindeutiger. Den Amis gehörte die linke Arschbacke, den Russen die rechte. West-Berlin – das Arschloch dazwischen – war das Reich des Kleinkriminellen und Möchtegern-Playboys Dragan Wende. Als Sohn eines jugoslawischen Gastarbeiters verdiente er hier in den 1970er und 80er Jahre als Barmann und Türsteher in so angesagten Discos wie dem „New Eden“ sein Geld. Nebenbei räumte der kurzgewachsene Ganove im übergroßen Schulterpolsterjacket mit seinen Kollegen Dule und Zlatko entspannt das ein oder andere Geschäft leer, denn der jugoslawische Pass ermöglichte ihnen die problemlose Ein- und Ausreise mit dem Diebesgut in den sozialistischen Teil der Stadt und damit zugleich die Flucht vor den Verfolgern. Außerdem war man mit der starken D-Mark im Osten ein König und konnte feiern wie sonst nirgendwo. Dann kam die Wende. Und mit dem gleichzeitig einsetzenden Ende der Discotheken-Ära am Ku’damm begann auch Dragans zwielichtiger Stern zu sinken. Heute wünscht sich der bankrotte Bordell-Türsteher nichts sehnlicher als den Wiederaufbau der Berliner Mauer – am besten zehn Meter höher.
Dragans Familie in Jugoslawien weiß kaum etwas über dessen Werdegang nach dem Fall der Mauer, weshalb sich Neffe Vuk mit der Kamera auf Spurensuche begibt, bei Dragan einzieht, ihn durch sein undurchsichtiges Leben begleitet und bald selbst als Türsteher eingespannt wird, denn so etwas bleibt am besten in der Familie. Daneben gibt es unzählige, teils vollkommen absurde Anekdoten aus Dragans Leben zu sehen und zu hören, dass manchmal Zweifel aufkommen, ob das alles tatsächlich immer der Wahrheit entspricht. So hat Dragans Freund Dule (der schon mehrfach Millionär gewesen sein will, mit seiner Tochter aber in einer heruntergekommenen Wohnung lebt) angeblich mehr als 259 Millionen Britische Pfund auf einem Konto gepachtet, an das er nicht heran kommt, weil er sich nicht an die Kontonummer erinnern kann. Auf diese Weise führen die schrägen Figuren den Zuschauer ein ums andere Mal hinters Licht und lächeln dabei spitzbübisch, als wenn nichts gewesen wäre. So verstärkt sich im Laufe des Filmes immer mehr die Frage nach der Echtheit des Gezeigten und das macht ohne Zweifel den großen Reiz dieses Filmes aus.
Unter dem Gewicht der Anekdoten, der Fülle an Figuren und der endlosen Aneinanderreihung historischen Aufnahmen zur Teilung Deutschlands zerfällt der Film allerdings schnell in seine Einzelteile. Denn aus der gewählten Aneinanderreihung des Materials will sich keine stringente Geschichte entwickeln. Mit seiner behelfsmäßigen Aufteilung in Kapitel (die vom Versuch zeugt, Herr der Bewegtbildmassen zu werden) stapelt der Film Thema über Thema und Figur über Figur, sodass am Ende ein knallbuntes Mosaik entsteht, aus dem sich beim Zurücktreten kein größeres Bild ergeben will. Knapp zehn dramaturgische Berater im Abspann dieses Dokumentarfilmes lassen erahnen, warum Vieles im Chaos des Schnitts, dem jedes Gespür für die Protagonisten fehlt und der trotz einer konstanten Bilderflut eine gewisse Trägheit entwickelt, unterzugehen droht.
Zugunsten kurioser Situationen (von denen sich die Macher offensichtlich ungern trennen wollten) verweigert der Film ein ums andere Mal einen unverstellten Blick auf Dragans augenscheinliches Alkoholproblem und damit auf ein zentrales Thema seines Helden. Auch Vuks Schicksal bleibt inkonsequent erzählt. Er verkommt als Erzähler zum Stichwortgeber für eine grob gehäkelte Geschichte oder stachelt als eine Art Enforcer Dragan zu immer neuen Wutausbrüchen an, die den Zuschauer vor allem zum Lachen bringen sollen. Andere Nebenfiguren wie Dragans Nachbarin Alexandra wollen sich erst überhaupt nicht in das Kaleidoskop einfügen lassen.
Das ist sehr schade, denn in vielen Szenen (Dragan singend auf dem Balkon) offenbart das Material die anrührende Tragik eines gescheiterten Lebens im Angesicht großer politischer Veränderungen. Und hinter Dragans misanthropischem Gebaren verbirgt sich ein unglaublich charismatischer und verletzlicher Protagonist; ein etwas anderer Wendeverlierer, dessen Geschichte es wert gewesen wäre, manchmal mit etwas mehr Sensibilität erzählt zu werden.