Der Blick geht aufs Meer, an dessen Horizont sich eine Stadt im Dunst abzeichnet. Während ein Frachtschiff am linken Bildrand auftaucht, die Einstellung durchquert und auf der rechten Seite wieder verschwindet, erklingt ein Ausschnitt aus Edvard Griegs „Peer Gynt-Suite“ und eine Stimme aus dem Off hebt an, zu sprechen: Er lasse zu Beginn einer Therapie seine Patienten oft eine Linie zwischen Geburt und Tod zeichnen, auf der sie sich verorten sollen, um ihnen die begrenzte Zeit des Lebens bewusst zu machen. „Wie fühlt sich der Blick aufs eigene Leben an?“ Dabei entstehe bei seinen Klienten oft ein Gefühl der Reue und des Bedauerns über verpasste Möglichkeiten oder nicht wieder gut zu machende Fehler. Der da spricht, ist der 83-jährige amerikanische Psychiater und Schriftsteller Irvin D. Yalom, der in Sabine Gisigers Dokumentarfilm „Yaloms Anleitung zu Glücklichsein“ auf das eigene Leben zurückblickt.
Die enge Verzahnung von Leben und Arbeit, die durch Yaloms dominante, zwischen biographischer Auskunft und beruflichem Erfahrungsbericht changierende Erzählung realisiert wird, ist ebenso naheliegend wie aufschlussreich. Handelt es sich bei dem renommierten Therapeuten doch um einen der wichtigsten Vertreter der existentiellen Psychotherapie, der neben wissenschaftlichen Grundlagenwerken auch lehrhafte Romane verfasst hat (zum Beispiel „Und Nietzsche weinte“), mit denen er einem größeren Publikum bekannt geworden ist. Die Suche nach dem Sinn und die Frage nach dem richtigen Leben verbinden sich in Yaloms Denken mit der Notwendigkeit, sich selbst besser kennen zu lernen und das Unterbewusste bewusst zu machen. Der Therapeut wiederum sieht sich dabei als „Reiseleiter der Selbsterforschung“.
„Wir sind alle Patienten und werden von unseren Ängsten eingeholt“, sagt der Portraitierte einmal. Existentielle Einsamkeit, die Angst vor dem Tod, aber auch die Sehnsucht, diese Zustände gesteigerter Selbstwahrnehmung in der Verschmelzung mit einem liebenden Anderen aufzuheben, bilden insofern die zentralen Themen seiner Beschäftigung. Als Kind polnischer Juden, das sich vernachlässigt und als wissbegieriger Außenseiter selten unbeschwert gefühlt hat, vermisst Yalom zeitlebens ein „stabiles Fundament“. So unterzieht er sich während seiner akademischen Ausbildung und noch als Therapeut selbst immer wieder Therapien und gewinnt daraus nicht zuletzt Anregungen und Erkenntnisse für die eigene Arbeit.
Die Stationen dieses Werdegangs illustriert Gisiger zum einen mit historischen Aufnahmen; zum anderen begleitet sie Irvin D. Yalom zu seinen früheren und gegenwärtigen Wohnorten und Wirkungsstätten, zu denen vor allem die Stanford University im kalifornischen Palo Alto zählt. Hier lebt der Therapeut in einem abgelegenen kleinen Haus zusammen mit seiner großen Liebe und langjährigen Ehefrau, der Literaturwissenschaftlerin Marilyn Yalom. Im Alter fühle er sich zunehmend leichter und freier, weil frühere Konflikte an Bedeutung verlören und die Aufmerksamkeit sich auf das Wesentliche richte. Immer wieder verharrt die Kamera in langen Einstellungen, blickt aufs Meer und das Spiel der Wellen und gibt so den Gedanken Zeit und Raum. Neben dem leicht irreführenden Titel stört in der deutschen Fassung des Films allerdings das etwas gewöhnungsbedürftige Voice-over-Verfahren, das sich allzu prägnant über die originalen Stimmen legt und dabei mehr an eine Fernseh- als an eine Kinoproduktion denken lässt.