Bertrand Taverniers Film „Mitten hinein ins furchtbare Gemetzel der konfessionellen Glaubenskriege, die im 16. Jahrhundert in Frankreich toben, taucht Bertrand Tavernier mit seinem Film „Die Prinzessin von Montpensier“, einer Adaption der gleichnamigen Novelle von Madame de la Fayette. Unmittelbar und in großen Bewegungsschleifen begibt sich die Kamera ins martialische Geschehen, um jene blindwütige Gewalt aufzuzeichnen, die im Namen der Religion alles Menschliche vergisst und sich dabei in einen tödlichen Rausch hineinsteigert. Nach dessen blutgetränkter Ernüchterung empfindet der gebildete Graf de Chabannes (Lambert Wilson), der in Diensten des Hugenottenführers Condé kämpft, eine tiefe Schuld. Soeben hat er eine schwangere Frau erstochen, weshalb er beschließt, zu desertieren. Tavernier erfindet diese Exposition zum einen, um die Gewissensnöte des Grafen zu konkretisieren; zum anderen verbindet er dadurch die Kriegswirren mit jenen emotionalen Verstrickungen, die in der Novelle als „Irrungen und Wirrungen der Herzen“ bezeichnet werden.
Kurz darauf findet Chabannes Schutz bei seinem ehemaligen Schüler und Freund, dem katholischen Prinz von Montpensier (Grégoire Leprince-Ringuet). Weil Heiraten in seinem Stand und zu jener Zeit vor allem von politischem Machtkalkül bestimmt werden, soll der Prinz mit der ebenso schönen wie tugendhaften Marie de Mézières (Mélanie Thierry) verheiratet werden. Das geht nicht ohne Zwang und Schläge, denn Marie liebt den furchtlosen, seinem König treu ergebenen Glaubenskämpfer Henri de Guise (Gaspar Ulliel). Die Neigung des Gefühls steht also mit der Pflicht gegenüber dem Vater im Konflikt. „Liebe ist die lästigste Sache der Welt“, heißt es dementsprechend auf der einen Seite, während auf der anderen festgestellt wird: „Es ist unser Beruf, zu gehorchen.“ Die Distanz zwischen der mit ihren Leidenschaften allein gelassenen, dienenden Frau zu ihrem abwesenden, vom Erlebnis des Krieges bestimmten Mann findet sich in diesen tristen Rollenzuschreibungen gespiegelt. Zugespitzt wird es schließlich in der aufschlussreichen Darstellung der Hochzeitsnacht, in der zwei einander Fremde unter öffentlicher Beobachtung gezwungen sind, den ehelichen Geschlechtsakt zu vollziehen.
Die Hierarchie der Himmelskörper und die durch sie verbürgten Gesetze des Gleichgewichts liefern gewissermaßen das Modell für diese irdischen Determinationen. Chabannes, der als Hauslehrer auf dem Landgut des Prinzen seine Schülerin Marie aber nicht nur mit astronomischen Gesetzmäßigkeiten vertraut macht, sondern sie auch in Latein und Schreiben unterrichtet, gibt der wissbegierigen jungen Frau damit zugleich die Mittel ihrer Befreiung an die Hand. Doch Tavernier erzählt nicht primär eine Emanzipationsgeschichte, sondern eine Geschichte des Herzens und der Treue. Dabei wird Marie als Objekt des Begehrens gleich von vier Männern umworben. Neben die beiden Rivalen Montpensier und Henri de Guise, deren Eifersucht immer gewalttätigere Züge annimmt, treten schließlich noch der Herzog von Anjou (Raphaël Personnaz) und der Comte de Chabanne selbst. Auch wenn seine Hoffnungen enttäuscht werden, bleibt er als einzelgängerischer „Pilger in der Finsternis“, der sich für den anderen opfert, in Entsagung und Treu mit Marie verbunden. Er vertritt dabei zugleich jene Werte, die dem mörderischen Zeitgeist entgegenstehen und den Grafen zum Außenseiter machen.