Die Schizophrenie von „Grace of Monaco“ beginnt, wenn auch unbeabsichtigt, bereits mit dem Titel, der seine Hauptfigur ins Spannungsfeld zwischen zwei Welten platziert, der Hollywoodstar Grace Kelly hier, ihr neues Leben als Fürstin von Monaco dort, und auch fünf Jahre nach der Vermählung mit Fürst Rainier, wenn die Filmhandlung einsetzt, ist Grace noch immer zerrissen zwischen der Schauspielerei und ihrer – wohl größten – Rolle als Landesmutter zwischen Repräsentanz, Engagement und öffentlichem Privatleben. Hitchcock bietet ihr noch einmal eine Hauptrolle an, die Kleptomanin in „Marnie“ an der Seite eines schottischen Emporkömmlings, doch die Staatsraison verbietet solche Ausflüge, erst recht in Zeiten existenzieller Krisen, da Frankreich den Status des Fürstentums als Steueroase nicht länger hinnehmen möchte und mit Einverleibung droht.
Regisseur Olivier Dahan, seit „La vie en rose“ in der filmischen Aufarbeitung nationaler Heiligtümer geschult, konzentriert sich in seiner Kelly-Biographie auf diesen kleinen Ausschnitt zu Beginn der 60er-Jahre, als Glamour-VIPs wie Onassis und Maria Callas zum inneren Kreis zählten, und versucht die Bewältigung dieser persönlichen wie politischen Krisen zum entscheidenden Selbstfindungsmoment hochzujazzen. Immer wieder bedrängt er die Schauspieler, allen voran Nicole Kidman, die dem erstaunlich angemessen standhält, mit extremen Close-Ups, versucht er eine tiefere Wahrheit in den Augen zu ergründen, oder wenigstens ein paar Tränen, die der Katharsis und ultimativen Rollenfindung als Grazia Patrizia vorausgehen. Auch eine gewisse Todesahnung wird mit diversen waghalsigen Autofahrten entlang der Serpentinen der Alpes maritimes mitbespielt, die Legendenbildung stets fest im Blick.
Beinahe reflexartig kam die Empörung der Fürstenfamilie anlässlich der Premiere von „Grace of Monaco“ als Eröffnungsfilm des Festivals in Cannes, denn natürlich werden hier Intima ausgeplaudert und Verknüpfungen erstellt, die den Beteiligten und Angehörigen zu weit gehen dürften, nicht zuletzt dank eines geschwisterlich-fürstlichen Intrigantenspiels, das höchstens an „Shakespeare in the Park“-Aufführungen gemahnt, aber der wahre Impuls der Auflehnung sollte doch eher die Trivialität sein, mit der hier ein historisches Bild verzerrt wird und das inszenatorische Unvermögen, den Stoff über Soap-Opera-Niveau zu hieven. Dabei macht Nicole Kidman noch das Beste aus der Herkulesaufgabe, eine – um einiges jüngere – Ikone nachzustellen und sich selbst dabei zurückzunehmen. Tim Roth als Rainier und Frank Langella als ihr geistlicher Berater Francis Tucker werden dagegen zumeist zum Anspielpartner degradiert und halten beim Dialog-Ping-Pong den Ball im Spiel, mehr nicht.
Grace‘ Knoten der Akzeptanz beim Volk und, noch wichtiger, in Society-Kreisen, platzt mit einer sehr persönlichen Rede beim legendären Rotkreuz-Ball, die selbst de Gaulle von seinen Plänen abrücken lässt, in erster Linie aber dem Film noch einmal die Gelegenheit gibt, aus dem Vollen zu schöpfen: Ballsaal, Abendgarderobe, Tränen im Augenwinkel, güldenes Licht – „Grace of Monaco“ schaut bisweilen formvollendet schön aus, die Blu-ray-Bildqualität ist spektakulär, aber innerlich leider auch ziemlich hohl.