Solange keine Persönlichkeitsrechte verletzt oder Geschäftsgeheimnisse offen gelegt werden, dürfte den Aufnahmen nichts im Weg stehen. Mit diesen aus dem Off gesprochen Worten und den sakralen Klängen einer Bach-Kantate über die Sündhaftigkeit des Menschen beginnt der Dokumentarfilm „Master of the Universe“ von Marc Bauder. Im Zentrum steht als alleiniger Protagonist, neben den Wolkenkratzern Frankfurt am Mains, der ehemalige Banker Rainer Voss und gibt Auskunft über die ansonsten so verschwiegene Bankenwelt.
Während er durch die leeren Flure eines ehemaligen Bankenhochhauses streift, erzählt Voss von den Grundlagen des Exzesses der Finanzmärkte, von in der Branche allgegenwärtigen Kriegsmetaphern („Es ist letzten Endes wie bei der Armee.“) und Prestigedarwinismus. Es geht um die institutionalisierte Abkopplung von gesellschaftlichen Prozessen, genauso wie um die Firma als Scheinfamilie. Doch als Entlarvung oder Entmystifizierung taugt dies alles wenig. „Im Rückblick verklärt sich manches“, gesteht Rainer Voss irgendwann ein – in der formal-ästhetischen Gestaltung des Filmes ebenfalls.
„Master of the Universe“ suggeriert mit dem eingangs erwähnten Kommentar eine Innenansicht. Der Film ist jedoch als perfekter Wirtschaftsthriller inszeniert. Und im Thriller geht es immer auch darum, dass Dinge im Verborgenen bleiben. Alles in diesem Dokumentarfilm ist umgeben von einer Aura des Geheimnisvollen, in der sich die Bankenwelt seit jeher eingerichtet hat. Denn Marc Bauder setzt ganz bewusst die Verschwiegenheit dieser homogenen Parallelwelt ins Bild und versucht diese auch nicht zu brechen. So ehrfurchtsvoll, wie sich die Kamera zu Beginn des Filmes den Wolkenkratzern des deutschen Bankenzentrums nähert, so formuliert der Regisseur auch die erste Frage an seinen Protagonisten: „Angenommen, ich will da rein, wie muss ich mich verhalten?“
Im weiteren Verlauf des Filmes darf Rainer Voss unverständliche mathematische Formeln an die Fensterscheibe kritzeln und erklären, dass keiner die Rechnungslegung der Deutschen Bank verstünde. Selbst der als Kontrapunkt zuerst einmal überraschende Schauplatz des Gespräches unterstützt die inszenierte Verborgenheit zusätzlich, denn da wo nichts ist, öffnen sich Möglichkeiten zur Spekulation.
Das Geheimnisvolle lebt von der Distanz, vom Vagen und dem Kontrast von Innen und Außen. Es ist das Gegenteil der Transparenz. Aus dementsprechend großer Entfernung zeigt die Kamera Banker in ihren Büros oder wie sie in verspiegelten Luxuskarossen in die Tiefgarage einfahren. Und immer wieder verweigert die Montage Kontexte, verliert sich im Ungefähren, um der Komplexitätsbehauptung des Finanzsystems Genüge zu tun. Natürlich versucht Bauder sich abzusichern, wenn er seinen Protagonisten scheinbar in die Enge treibt und diesem nur die Antwort bleibt, dass er das jetzt nicht aufgezeichnet haben will. Aber auch hier wird das Geheimnis, die Undurchdringbarkeit des Finanzmarkt-Kapitalismus, bewusst in Szene gesetzt. Und zwischen den Interviews erklingen konziliant wabernde Melodien, die sich in ihrer minimalistischen Verspieltheit wie ein Schleier um das Gesagte legen.
Inhaltlich besonders problematisch wird die Verfahrensweise des Regisseurs, wenn Fragen nach der Verantwortung weitestgehend ausgeklammert werden oder die Rolle des Protagonisten innerhalb des Systems unbeleuchtet bleibt. Doch ob Rainer Voss Trader, Quant oder Risikomanager war, ist für eine Einordnung seiner Aussagen von eminenter Bedeutung.
Eine größere Neutralität, wie sie beispielsweise im hervorragenden Porträtband „Strukturierte Verantwortungslosigkeit. Berichte aus der Bankenwelt“ von Claudia Honegger, Sighard Neckel und Chantal Magnin an den Tag gelegt wird, wäre wünschenswert gewesen. In „Master of the Universe“ jedoch behauptet der Regisseur eine Innenansicht, während seine Hauptfigur permanent um die rechte Außendarstellung bemüht ist. Zusammen ergibt das einen wenig informativen, aber dafür umso geheimnisvolleren Film, der am Ende in bester Thrillermanier mit dystopischen Prophezeiungen aufwarten kann.