Violette Leducs Schreiben beginnt im Film von Martin Provost („Séraphine“) mit dem Satz: „Meine Mutter nahm mich nie bei der Hand.“ Diese Erfahrung mangelnder mütterlicher Liebe und Zuwendung begleitet die französische Schriftstellerin ein Leben lang. Zeitlebens fühlt sie sich hässlich und einsam, leidet unter Zurückweisung, Missachtung und Ablehnung. Ihre lange Erfolglosigkeit als Schriftstellerin erscheint ihr deshalb nur konsequent: „Ich bin eine Wüste, die Monologe schreibt.“ Martin Provosts einfühlsames Biopic „Violette“ beschreibt aus gemessenem Abstand diesen fatalen Determinismus, der sich in fast farblosen Bildern der Enge und Gefangenschaft widerspiegelt. Reduziert auf sieben Kapitel, die fast ausschließlich mit Vornamen betitelt sind und in konzentrierter Form wichtige Begegnungen der aufstrebenden Autorin schildern, charakterisiert Provost seine Heldin immer wieder als Außenseiterin, die mit ihrer unbequemen, zwischen Selbstverzweiflung und hoffnungslosem Liebesbegehren changierenden Art auch den Zuschauer auf Distanz hält.
Das vermittelt schon Leducs (Emmanuelle Devos) heftige Hassliebe zu dem homosexuellen Schriftsteller Maurice Sachs (Olivier Py) im ersten Kapitel des Films, das in der Okkupationszeit angesiedelt ist und ein starkes Zeitkolorit entfaltet. Während sie ihren Unterhalt als Schwarzmarkthändlerin verdient, kommt es in ihrem Versteck in der Normandie immer wieder zu wüsten Gefühlsausbrüchen mit Sachs. Violette Leducs Hunger nach Liebe ist willensstark und besitzergreifend und bleibt vielleicht nicht zuletzt deshalb unerwidert. Je heftiger sie fordert, desto offener wird sie zurückgestoßen. Vor allem in ihrer späteren Beziehung zu Simone des Beauvoir (Sandrine Kiberlain), die sie fördert und unterstützt, wird das deutlich. Violette Leduc empfindet sich als ungewolltes Kind, das nach langen Phasen der Resignation immer wieder verzweifelt um Anerkennung kämpft.
Dass ihr diese spät doch noch zuteil wird, wirkt wie ein tröstlicher Ausgleich für ein unglückliches Leben, dessen Schmerzen Leduc in Literatur verwandelt. „Das Ersticken“, „Die Verhungernde“, „Verheerungen“ und schließlich „Die Bastardin“, so die Titel ihrer rückhaltlos autobiographischen Bücher, zeugen davon. Für Simone de Beauvoir, die Leducs Prosa als „kraftvoll und kühn“ bezeichnet, sind sie (frauen)politischer Sprengstoff und zugleich Nachweis der lebensverändernden Kraft von Literatur. Während die berühmte Philosophin ihrem Schützling stets kühl und reserviert begegnet und Leducs Liebesbegehren entschieden zurückweist, bezeichnet etwa Jean Genet (Jacques Bonnaffé) die erfolglose Außenseiterin als „eine Schwester“. Unterstützt von Arvo Pärts in Kinofilmen häufig zitiertem, meditativem Stück „Fratres“, portraitiert Martin Provost die unerwiderten Sehnsüchte einer unglücklichen Frau und Künstlerin, die ihr Leben in und durch die Literatur rettet und die in einem leerstehenden Haus eines kleinen Dorfes am Fuße des Mont Ventoux, dem windigen „Beschützer“ der Provenzalen, schließlich ein Refugium für sich findet.