Der Regisseur Jalil Jespert hat das Leben der Modeikone Yves Saint Laurent verfilmt. Für seine Schnitte und Kreationen wird Yves Saint Laurent in der Modewelt als Genie und als Inbegriff und Verkörperung von Stil verehrt. Der gleichnamige Film glänzt mit Hochglanzoberflächen, Originalkostümen und Einblicken in die Welt hinter dem Laufsteg. Einen bleibenden Eindruck wird er trotzdem nicht hinterlassen.
Mit nur 21 Jahren ist Yves Saint Laurent Assistent des Modezaren Christian Dior. Nach dessen plötzlichem Tod übernimmt der junge, in Algerien aufgewachsene Franzose die künstlerische Leitung des renommierten Modehauses. Seine erste Kollektion, von der Modewelt mit Skepsis überschüttet, entpuppt sich als voller Erfolg und macht Yves sofort zum Star. Mit der Hilfe des Unternehmers Pierre Bergé und dank seines Vertrauens auf die eigene Kreativität schafft Yves es, sein eigenes Label zu gründen. Wir erleben das Erwachen des legendären Modeimperiums YSL und sehen manche der unverwechselbaren Kostüme über den Laufsteg gleiten, der Erfolg überschattet erste Zweifel des Modemachers. Der Film erzählt dann die Liebesbeziehung zwischen Yves und seinem Geschäftspartner. Mit dem Ruhm wächst aber auch der Druck, die Zweifel weiten sich zur Schaffenskrise aus. Es folgen Drogenabstürze, Sinnkrise und Beziehungsabgründe.
Der Schauspieler, Regisseur und Autor Jalil Jespert hat wie alle Macher eines Biopics mit der Schwierigkeit zu kämpfen, die Unebenheiten, Zufälle und Ungeraden eines Lebens in eine dramaturgische Form zu gießen. Als habe der Filmemacher diese Unmöglichkeit erkannt, versucht er erst gar nicht, sich daran abzuarbeiten. Nach den ersten vier Szenen hat Yves‘ Charakter alle Seiten offenbart, die im weiteren Verlauf des Films eine Rolle spielen werden: Talent, Scheu, Homosexualität, Humor, Professionalität. Und wie durch die inneren Zustände streift der Film danach auch durch alle restlichen Felder seines Lebens: Herkunft, Künstlerdasein, Familie, Modebetrieb, Traditionshäuser, Liebesbeziehung, Freundschaften, Geschäftswelt, Algerienkrieg, Drogen, Unruhen in Paris – selbst gesellschaftliche Aspekte werden gestreift, bleiben aber im Grunde Teil der Kulisse. So wie in diesem Text werden die Stationen auch im Film aneinandergereiht, ohne je eine eigene Fragestellung, Thematik oder Perspektive auf das Leben des Modemachers zu entwickeln.
Am ehesten dreht sich der Film noch um die Frage, welche inneren Konflikte den Modemacher bis an die Spitze der Modewelt begleiten und wie er diese hinter Blitzlichtgewittern und Publikumsapplaus zu verstecken sucht. Doch auserzählt wird hier leider nichts. Am Ende steht immer noch die Frage im Raum: Woran leidet dieser Mann eigentlich? Spannend erscheint zudem der Konflikt von Pierre Bergé, sich bedingungslos und fürsorglich für Yves einsetzen zu wollen und gleichzeitig hilflos vor seinen Dämonen zurückzuschrecken – aber auch hier wird lediglich nur angerissen. Im Falle YSL lässt der Regisseur jede Möglichkeit auf eine spannende Geschichte am Wegrand liegen, weil er sich nicht den Vorwurf einhandeln will, etwas auszulassen oder falsche Antworten zu liefern – dann lieber keine Antworten. All das ist schade, und wenn der Film dann noch nicht einmal erzählt, was YSL in der Mode eigentlich revolutioniert hat, dann ist das ärgerlich.
Filmisch gibt es nicht viel hervorzuheben, die Produktion folgt den üblichen Konventionen: Solide Kamera- und Regieleistung, aufwändige Kulissen, detailreiche Ausstattung, gute Schauspieler, viel Musikkleister. Der Film leidet dabei nicht nur an seiner Angst vor dem Risiko, sondern auch am Grundwiderspruch eines jeden Biopics: Wenn die Geschichte einer bedeutenden Persönlichkeit historisch wahrheitsgetreu nacherzählt wird, erscheint der Film entweder vorhersehbar und überflüssig – oder selektiv, wenn wichtige Etappen und Facetten der Person fehlen. Dichtet er eigene Zusammenhänge oder Verdichtungen hinzu, handelt er sich den Vorwurf der Verfälschung ein. Raum für stilistische oder kreative Eigenwilligkeiten lässt diese Art von Filmerzählung ohnehin nicht, da sie sich immer dem nüchternen Gestus einer biografischen Perspektive verschrieben hat. Die Modeikone YSL hat den Ruf, ein manisch-kreatives Genie gewesen zu sein, das viel in seinem Leben gewagt hat und dadurch den Zeitgeist umgekrempelt hat. Ein ganz kleines bisschen wenigstens hätte sich der Regisseur davon eine Scheibe abschneiden können.