Eigentlich ein alter Hut. In Deutschland wurden zwischen 1933 und 1945 – „Überläufer“ nicht mitgezählt – ca. 1200 Filme produziert, vorwiegend, so hört man, Unterhaltungsfilme. Nach 1945 wurden seitens der Alliierten ca. 300 Filme als „Propaganda“ verboten. Heutzutage gelten noch ca. 40 „Vorbehaltsfilme“, darunter etwa „Jud Süß“, „Kolberg“, „GPU“, „Stukas“, oder „Ich klage an“ als politisch so brisant, dass keine öffentliche Aufführung ohne wissenschaftliche Begleitung und anschließende Diskussion möglich ist. Ist das schlimm? Eine Bevormundung?
Erinnert sich noch jemand an die Aufregung, als „arte“ vor ein paar Jahren an einem Themenabend Veit Harlans „Kolberg“ zeigte. Dass vor Jahren plötzlich Harlans „Opfergang“ zum „Kultfilm“ erklärt wurde? Wie soll man heute, fast 70 Jahre nach der Befreiung vom Faschismus, mit diesem anrüchigen Teil des nationalen Filmerbes umgehen? Ist der Schoß fruchtbar noch, aus dem das kroch? Oder machen die Verbote das Verbotene gerade erst interessant? Wird man durch das Anschauen von „Jud Süß“ zum Antisemiten, wird man in seinem (bereits vorhandenen) Antisemitismus bestärkt? Versteht ein heutiges Publikum überhaupt noch die subkutanen Botschaften der inkriminierten Filme?
In Felix Moellers Dokumentation diskutieren nicht nur einschlägig bekannte Filmhistoriker und Historiker die Sachlage, sondern es kommt neben Filmemachern wie Magarethe von Trotta und Oskar Roehler auch das Publikum zu Wort, das in eingeführten und von Diskussion flankierten Filmvorführungen gesessen ist. Da ist dann viel Routine im Spiel: routiniert wird abgewehrt und verworfen, routiniert wird auch schon mal provoziert. Oskar Roehler erzählt, dass die Filme mit dem Ruch des Verbotenen und Frivolen immer schon in der Szene kursierten: in den 80er Jahren in Clubs und Off-Kinos, heutzutage im Internet. Aussteiger der rechten Szene berichten, dass Filme von „Der ewige Jude“ gerne mal gezeigt werden, allerdings mitunter aufgrund ihrer Drastik auch Neo-Nazis ein ungläubiges Lächeln ins Gesicht zaubern.
Moeller hat zwischen all die Talking Heads immer wieder Filmausschnitte aus unsichtbaren Filmen wie „Kolberg“, „Jud Süss“, „GPU“ oder „Ohm Krüger“ montiert, die große Lust darauf machen, diese Filme einmal zu sehen. Die Frage bleibt unbeantwortet: kann man Filme entnazifizieren, indem man Hakenkreuze aus dem Film schneidet? Besteht weiterhin Ansteckungsgefahr? Hier sprechen Experten von Filmen, die sie gesehen haben, ohne Schaden zu nehmen, zu einem Publikum, dem der Zugang zu den Bildern und Tönen verwehrt bleiben soll, über die potentielle Wirkung der Töne und Bilder beim Publikum. Eine etwas seltsame Form der Bewahrpädagogik, die die Frage nach der Medienkompetenz des Publikums stellt. Das Manko dieser prinzipiellen Asymmetrie wird besonders deutlich, wenn Moellers Film sich einmal etwas genauer auf einen NS-Film wie Wolfgang Liebeneiners Euthanasie-Melodram „Ich klage an“ (1941) einlässt, den man nur zu gerne in die aktuelle Debatte um Sterbehilfe einspeiste. Denn, wie Silvia Bovenschen in einem Interview ausgeführt hat, die kollektive Erfahrung der Euthanasie spielt in der aktuellen Debatte eh eine Schlüsselrolle.
Bleibt abschließend nur die Frage, was ein gleichzeitig polyphoner und redundanter Film wie „Verbotene Filme“ eigentlich genau bewirken soll oder will. Eine offene Einführung in eine virulente Diskussion bieten? Die völlige Freigabe der „Vorbehaltsfilme“? Vor Ihrer Einspeisung in die üblichen kapitalistischen Verwertungszusammenhänge warnen? Schon heute, so stand irgendwo zu lesen, wird „Jud Süß“ circa 60mal im Jahr gezeigt. Mit Einführung und anschließender Diskussion. Im Rahmen einer solchen Veranstaltung hätte auch der Film von Felix Moeller seinen legitimen Ort.