Sie ist sechzig Jahre alt, er knapp vierzig; sie ist eine frühpensionierte Zahnärztin, er arbeitet als EDV-Coach. Also hat sie Probleme mit ihrem Rechner, während er unter Zahnschmerzen leidet. Ziemlich trivial und vorhersehbar entwickelt sich in Marion Vernoux‘ Film „Die schönen Tage“ die Liebesgeschichte zwischen Caroline (Fanny Ardant) und Julien (Laurent Lafitte), die vielleicht nur eine Sexgeschichte ist. Die beiden lernen sich kennen im titelgebenden Seniorenclub „Les beaux jours“, wo Caroline eher widerwillig das Schnupper-Abo einlöst, das ihr die beiden Töchter geschenkt haben; und wo der Single Julien einen Computerkurs leitet. Man kann dort aber auch Töpfern, Gymnastik machen oder Theater spielen. Bald funkt es zwischen dem charmanten Frauenheld, der sich einmal als „sympathischer Taugenichts“ bezeichnet, und der attraktiven, mehr zurückhaltenden Seniorin, die etwas farblos und ungreifbar bleibt.
Wenn sich die beiden nach einem mit ironisch-witzigen Flirt-Gesprächen angefüllten Restaurantbesuch zum ersten Mal küssen, geschieht dies überraschend und spontan vor der Kulisse des Meeres, das von Anfang an Projektionsfläche für die Wünsche und Sehnsüchte der Protagonistin, aber auch Spiegelbild ihrer Stimmungen ist. Sogleich kommt der Regen zu Hilfe und die beiden Entflammten flüchten fürs gemeinsame Liebesspiel, das unerwartete Empfindungen und Leidenschaften freisetzt, ins Auto. Zwar inszeniert Marion Vernoux mit Blick auf körperliche Details den irritierenden Schauer ungewohnter Berührung, doch die Kamera bleibt draußen vor dem Fenster und bildet so einen distanzierten Gegenpol zur unverhofften Nähe.
Relativ unbekümmert gegenüber ihrem Mann Philippe (Patrick Chesnais) und der restlichen Umgebung des kleinen nordfranzösischen Küstenorts genießt Caroline in vollen Zügen ihre neue Freiheit und entwickelt unter den Blicken Juliens ein neues Selbstbewusstsein: „Er schaut mich an.“ Doch ihre weiteren intimen Treffen werden durch die Montage gerafft und also weder intensiviert noch problematisiert. Stattdessen setzt der jeweilige Gegenschnitt einzelne Streiflichter auf die mal ernsten, dann wieder humorvollen „Seniorengespräche“. Aber hier wie dort fehlt es an Motivation und einer Vertiefung der Themen. Die Beziehungsgeschichte mit ihren kleinen Fluchten und Ausbrüchen tritt leider etwas unentschlossen auf der Stelle. Man ahnt ihre Grenzen und spürt (nicht zuletzt) im verhaltenen Agieren der illusionslosen Heldin recht bald, dass deren später Leidenschaft weder eine Perspektive noch eine Dauer beschieden sein wird.