Spätestens wenn gegen Ende der eben freigelassene ANC-Führer Nelson Mandela im Fernsehen zu friedlichem Wahlkampf um die Macht aufruft und der Parallelschnitt seine Quasi-Kontrahenden, Südafrikas letzten Apartheid-Präsidenten de Klerk und Mandelas ihm entfremdete Frau Winnie beim Fernsehen zeigt, ersteren angespannt rauchend, letztere im Hass entnervt saufend, dann ist klar, was eh fast immer schon (jedenfalls lange vor diesem Film) verordneter Konsens war: Der Mann ist ein Heiliger, jenseits des Hickhack der Politik und so ohne alle Arg und Laster (wie Nikotin und Nerven, Alkohol und Aggression), dass er das Schnöde am Menschlichen überhaupt transzendiert.
Das Wochen vor seinem Tod fertiggestellte südafrikanisch-britische Biopic mit dem schlichten Haupttitel 'Mandela' führt in braven Bilderbögen (flott und öd) von Mandelas Anwalts-, Kampagnen-, Untergrund- und Gefangenenzeit bis zu seinem Präsidentschaftsantritt, wobei 'Der lange Weg zur Freiheit' (so die Titelbyline) einer Linie folgt, auf der ein zeitweiser Protokommunist immer weiser und sein Haar immer weißer wird. Mandelas Gandalfisierung ist ein Glanzprodukt einer Medien- und Geschichtskultur, der Politik schlechthin als anrüchig gilt.
Rezente Mandela-Spielfilme setzten punktuell andere Akzente im kanonischen Image (Erziehungsroman weißer Rassisten im Direktkontakt mit dem unerschütterlichen Häftling: 'Goodbye Bafana', 2007; Verhandlungspolitik in der Spätphase des Apartheidregimes, mit Chiwetel Eijofor als Mandelas Mitstreiter und späterer Nachfolger Thabo Mbeki: 'Endgame', 2009; ein medienpopulistischer Sport-als-nation building-Coup in Clint Eastwoods 'Invictus', 2010). Inszeniert von Justin Chadwick, mit dem Briten Idris Elba (unvergessen seine skurrile Szene mit der Ziehharmonika als Raumschiffcaptain in 'Prometheus') in der Titelrolle, tritt 'Mandela' nun zur Kompletteinzementierung des Mandela-Mythos in Leinwand an. Komplementär zum Leitmotiv des übermenschlichen Edelmuts (wobei immer wieder Winnie als ganz dem Gefühl und der Macht verfallene Kontrastfigur dient und alle anderen Leute um ihn Staffage sind) beschwört eine Savannensonnen-Rahmenkitschbildkonstruktion kindlich-ethnischen Einklang von Herz und Natur als niemals versiegenden Quell in einem niemals endenden Film.
Jedoch: Alles kann der auch nicht ruineren. Ein Dialog, in dem Mandela – trotz Leiden an den Gefängnisschikanen und Freilassungstauschhandel-Angebot – sich weigert, dem Kampf abzuschwören darlegt, auch eine strukturell ungerechte Gesellschaftsordnung, nicht nur Straßenkrawall und bewaffneter Kampf, sei Gewalt, sowie opulente Szenen mit Agitationsreden, Fäusteballen und Massenchören behalten einen Rest an Reiz.