Inmitten eines Waldes, umgeben von einer vielstimmigen Geräuschkulisse steht seelenruhig ein älterer Mann und malt Bäume, Äste, Zweige und Blätter in sein Skizzenbuch. „Mein Name ist Francis Hallé. Ich habe mein Leben in Wäldern verbracht und die Bäume dabei beobachtet, wie sie entstehen, wachsen und sterben“, sagt der 1938 geborene französische Botaniker aus dem Off. Kurz darauf sitzt der Naturforscher in der gewaltigen Krone eines jener von ihm so bewunderten Baumriesen und räsoniert über deren durch Menschenhand verursachtes Verschwinden innerhalb der letzten fünfzig Jahre. Während sich die Kamera in einer geschmeidigen Plansequenz entlang des siebzig Meter hohen Stammes eines Moabi-Baums tastet, dabei die jahrhundertealten, von vielen Pflanzen und Tieren bevölkerten „Stockwerke“ durchmisst und schließlich aus der Vogelperspektive auf die grüne Lunge unseres Planeten blickt, mischt sich ein Gefühl der Ohnmacht und Trauer in Hallés betont subjektive, poetische Rede. Wie kann die fortschreitende, möglicherweise irreversible Zerstörung der tropischen Regenwälder gestoppt werden?
„Il était une forêt“ heißt Luc Jacquets Film „Das Geheimnis der Bäume“ in der französischen Originalversion. Und mit diesem den Anfang von Märchen zitierenden Titel „Es war einmal ein Wald“ verbindet Francis Hallé eine doppeldeutige Intention: Zum Einen erzählt er, dem Bewahren verpflichtet, eine faszinierende „Geschichte der Bäume“ und damit der Evolution des Lebens; zum Anderen erinnert er uns Menschen an unsere Herkunft aus dem Wald. Sein Plädoyer gegen „das Verschwinden dieser Welt“ und der in ihr waltenden „Kraft des Lebens“ bildet den Rahmen des Films. Weil die großen Bäume des Urwalds über viele Jahrhunderte wachsen und über tausend Jahre alt werden können, gegenwärtig aber in einem Bruchteil dieser Zeit zerstört werden, handelt der Film vor allem von einem eklatanten, lebensbedrohenden Missverhältnis. Gerade dafür möchte Luc Jacquets Film das Bewusstsein wecken und sensibilisieren. „Bäume verkörpern die Zeit“, sagt Francis Hallé. Als „Universum in sich“ beherberge ein Baum kleinste Welten und verkette diese ins Unendliche.
Dass diese außergewöhnliche Lebendigkeit der Bäume im Zustand der Bewegungslosigkeit vonstatten geht und dass sich dabei die Fortpflanzung und das Wachsen in einem ebenso regen wie passiven „kommunikativen“ Austausch mit anderen Lebewesen vollzieht, gehört zu den bis in letzte Detail undurchschaubaren Geheimnissen, von denen der deutsche Verleihtitel des Films spricht. Trotzdem kann Hallés immer wieder in Erstaunen versetzende Erzählung einer möglichen Wiedergeburt des Waldes, die vor allem Zeit braucht, einige davon lüften. Indem er uns anhand des Baumwachstums erzählt, wie sich das Leben in permanenten Austauschprozessen mit der Umwelt, in wechselseitigen Abhängigkeiten zu ihr und in vernetzten Kreisläufen selbst erneuert und dabei von den Pionierpflanzen bis zum Sekundärwald verschiedene Stadien durchläuft, entsteht ein Gefühl für die zeitliche Dimension im Werden des Urwalds. Daneben vermittelt der Film in vielen Großaufnahmen und Detailansichten, in Zeitlupe oder auch Zeitraffer die Vielfalt und Schönheit der Pflanzen, die als hängende Gärten in den Baumkronen gedeihen. In Betrachtung dieser Wunderwelt könnte der Mensch, so Francis Hallé, etwas über sich selbst lernen: „Sehen wir uns die Bäume an. In ihrer unbeweglichen Ruhe liegen die Wurzeln unserer Herkunft und unserer Weisheit.“