Only Lovers Left Alive

(D / USA / GB / F / CY 2013; Regie: Jim Jarmusch)

Zeitgenossen der Menschheitsgeschichte

Es gibt eine Verbindung zwischen Himmel und Erde, die musikalischer Natur ist und die damit alles Trennende aufhebt. Am Beginn von Jim Jarmuschs neuem Film „Only Lovers Left Alive“ steht deshalb der Blick zum nächtlichen Sternenhimmel. Während die Kamera diesen in ein langsames Kreisen versetzt, nimmt in einer Überblendung ein rotierender Plattenteller diese Drehbewegung auf. Musik erklingt und die beiden Bilder verschmelzen zu einer Einheit. Ihr Kreisen setzt sich zugleich fort in einer Parallelmontage, die aus der Vogelperspektive abwechselnd die beiden Protagonisten in ihren jeweiligen, weit entfernt voneinander liegenden Wohnungen zeigt. Adam (Tom Hiddleston) und Eve (Tilda Swinton) sind ein sehr altes, aber kaum gealtertes Liebespaar. Währen der kultivierte Undergroundmusiker und manische Gitarrensammler in einer alten, heruntergekommenen Villa der entvölkerten Industriestadt Detroit lebt, wohnt die Überlebenskünstlerin Eve, von zahlreichen Büchern umgeben, in der Altstadt von Tanger. Durch Zeit und Raum hindurch sind die beiden in Liebe vereint. Ihre Begleitmusik ist der kosmische Sound.

Nach dieser genialen Einleitung, die mit dem identitätsstiftenden Ende des Films eine Klammer bildet, steht dieser aber erst einmal still. Adam huldigt in seinem geheimen Domizil gegenüber seinem Assistenten Ian (Anton Yelchin) dem Fetischismus seiner obsessiven Sammelleidenschaft. Eve wiederum widmet sich den Wissensschätzen ihrer Bücher. Jim Jarmusch, offensichtlich selbst ein leidenschaftlicher Musik- und Literaturliebhaber, spickt seinen Film mit Zitaten und Verweisen und betreibt dabei ein überbordendes Namedropping, das oft zu kaum mehr als einer ironischen Fußnote oder aber zum leer laufenden Selbstzweck wird. Seine ungebrochene Lust, Musik zu inszenieren, schafft hingegen einen größeren sinnlichen Mehrwert in Jarmuschs teils abstrakt-rationalem, teils rätselhaftem Film. „Only Lovers Left Alive“ ist unterkühlt, statisch und distanziert erzählt und wirkt deshalb manchmal etwas blutleer, was im Kontext des Films zunächst paradox anmutet.

Andererseits passt das zu diesen kultivierten, stilvollen Helden der Nacht, die als kulturbeflissene Vampire des 21. Jahrhunderts ihre Blut-Nahrung aus Krankenhäusern beziehen und sich nach dem fast rituellen Verzehr wie in einem Drogenrausch gebärden, der in einen traumverlorenen Trip mündet. Adam und Eve sind zwei faszinierende Außenseiter, die durch die Jahrhunderte hindurch zu Zeitgenossen der Menschheitsgeschichte geworden sind und dabei ein umfangreiches Wissen erworben haben. Doch Adam ist darüber schwermütig und lebensmüde geworden; er leidet unter dem Zustand der Welt und hegt Selbstmordgedanken, von denen ihn Eve abbringen will, weshalb sie nach Detroit reist. Doch das Endzeitszenario spitzt sich noch zu, als bald nach ihrer Ankunft in der zerstörten Stadt unvermittelt ihr jüngere Schwester Ava (Mia Wasikowska) auftritt und das labile Ordnungsgefüge empfindlich stört. Als später auch noch Eves väterlicher Freund, der berühmte Schriftsteller Christopher Marlowe (John Hurt), nach Einnahme einer „kontaminierten“ Blutkonserve stirbt, geraten die Liebenden in eine Notlage, aus der sie nur durch eine „Verwandlung“ der Welt gerettet werden können.

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Benotung des Films :

Wolfgang Nierlin
Only Lovers Left Alive
Deutschland / USA / Großbritannien / Frankreich / Zypern 2013 - 123 min.
Regie: Jim Jarmusch - Drehbuch: Jim Jarmusch - Produktion: Reinhard Brundig, Jeremy Thomas - Bildgestaltung: Yorick Le Saux - Montage: Affonso Gonçalves - Musik: Jozef Van Wissem - Verleih: Pandora - FSK: ab 12 Jahren - Besetzung: Tom Hiddleston, Tilda Swinton, Mia Wasikowska, John Hurt, Anton Yelchin, Slimane Dazi, Wayne Brinston, Aurelie Thepaut
Kinostart (D): 25.12.2013

DVD-Starttermin (D): 04.07.2014

IMDB-Link: http://www.imdb.com/title/tt1714915/