Wenn Mutter Monika (Christina Große) und ihr pubertierender Sohn Florian (Frithjof Gawenda) im Siebziger-Jahre-Look und mit aufgemalten Schnurrbärten unter einer glitzernden Discokugel tanzen, fühlt sich das ziemlich unbeschwert und frei, cool und irgendwie symbiotisch an. Dann schwebt der Raum, die Sterne leuchten und zusammen mit ihrem Schlagersänger-Idol Christian Steiffen singen die beiden hingebungsvoll „Ich sehne mich so sehr nach Sexualverkehr“. Was natürlich auch eine Parodie aufs Genre ist. Der dickleibige Vater Hanno Herbst (Heiko Pinkowski) kann naturgemäß damit wenig anfangen und bleibt außen vor, zumal er sich seinen Sohn weniger musisch wünscht. Er ist aber auch wütend, weil „Flori“ in der ziemlich witzigen Eingangsszene von Axel Ranischs neuem Film „Ich fühl mich Disco“ bei einer aufgezwungenen Fahrstunde sein geliebtes, von Jugenderinnerungen umflortes Moped der Marke Simson schrottet.
Da sich der übergewichtige Teenager sowieso lieber ein Klavier wünscht und abends vor der Mattscheibe mehr Interesse an schwulen Soldaten als an nationalen Fußballhelden entwickelt, sind die Konfliktlinien der sympathischen Tragikomödie schnell gezeichnet. Der ebenso umtriebige wie produktive Film- und Opernregisseur Axel Ranisch, der vor einem Jahr mit seiner kultigen No-Budget-Produktion „Dicke Mädchen“ einen kleinen Überraschungserfolg erzielte, verbindet seine berührende Vater-Sohn-Geschichte mit einem Coming-of-Age-Drama. In dessen Verlauf erlebt der homosexuelle Florian nicht nur sein Coming-out, sondern er muss gemeinsam mit seinem Vater auch einen schweren menschlichen Verlust verwinden. Denn eines morgens erleidet die geliebte Ehefrau und Mutter einen schlimmen Schlaganfall und fällt in ein tiefes, lebensbedrohliches Koma.
Die Zeit, in der die medizinischen Apparate die bewusstlose Monika in der Schwebe zwischen Leben und Tod halten, wird für Vater und Sohn unter dieser außerordentlichen Belastung zu einer Phase der persönlichen Annäherung. Diese ist jedoch zunächst von Missverständnissen und Rückschlägen geprägt. Dabei erlebt vor allem Florian, der sich in den gleichaltrigen Turmspringer Radu (Robert Alexander Baer) verliebt, ein sexuelles Erwachen zwischen Hoffnung und Enttäuschung. Allerdings ist Ranischs origineller Film weit weniger schwer als dies sein Inhalt nahelegt: Immer wieder transzendiert er die Alltagsrealität mit Tagträumen ins Phantastische, verleiht der Imagination Flügel und dem Traurigen eine spielerische Leichtigkeit. In diesen schwerelosen Szenen, getragen vom komischen Ernst wundervoller Schauspieler, kehrt die Bewusstlose für Augenblicke zurück ins Leben oder träumen sich die Protagonisten unter den sanften Klavierklängen Rachmaninows an ferne Orte. Für Entlastung und eine gewisse Zuversicht sorgen aber auch die Gastauftritte von Rosa von Praunheim als Sexualtherapeut und von Christian Steiffen, der zum Schluss in Partylaune sein titelgebendes „Ich fühl mich Disco“ zur allgemeinen Aufmunterung und Erheiterung darbietet.