Ein Dokumentarfilm mit Spielfilmszenen. 1941 in Osteuropa. Ein ganzes „Volk“ von Juden, so der Film, wird dort von jungen deutschen Polizisten ermordet. Die historischen Aufnahmen von den Erschießungskommandos und den Massengräbern werden eingeblendet. Dann aber wendet sich der Film in den reenacted Sequenzen den uniformierten Jungs zu, die mit ihren vertrauten Stimmen (Devid Striesow, Sebastian Urzendowsky) einander ihr Leid klagen. Sinnierend sitzen sie nach getaner Arbeit im Wald. „Es war mir eigentlich einfach nicht mehr möglich. Ich musste mich übergeben. Was machen wir bloß? Ich bin seelisch gebrochen. Ich bin impotent geworden.“ Leidvoll hält einer nach dem anderen seinen Kopf in die Kamera, und ich verstehe, sie werben um Empathie. Auch sie sind Opfer. Opfer des Holocaust.
Moment mal. Um den Holocaust, um seine Einmaligkeit, geht’s dem Film gar nicht. Im Gegenteil. Die Wissenschaftler, die Regisseur Stefan Ruzowitzky jetzt zu Rate zieht, darunter ein US-amerikanischer Heerespsychologe, wenden sich in im letzten Drittel des Films in ausführlichen Statements der Frage zu, wie „man“ das psychologisch macht, Leute wie die vom Polizeibataillon oder gar ein komplettes (deutsches) Volk oder heutzutage die Soldaten von der US-Army dazu zu bringen, ihre Einsätze durchzuführen. Der Kampf gegen das Böse, den Satan, wir erinnern das. Also eine brennende Frage. Der Army-Psychologe an der Militärakademie Westpoint („Das Erlernen des Tötens im Krieg und der Gesellschaft“) hat dazu viel zu sagen, und er sagt es.
Das mit den Massenerschießungen durch das Polizeibataillon, – geschichtlich gesehen war das doch immer so, lernen wir. „Das war doch ihr Job!' 'Sie waren doch so jung!“ Tja, der Fehler sei, erkennt der Experte, dass sie nicht wie wir an die Individualität glaubten, sondern an die Gruppe. Schon die Spartaner hätten sich als Gruppe ausgewiesen – durch Rastalocken, die Römer dagegen durch Kurzhaarschnitt, und vor hundert Jahren trugen unsre Jungs Bärte und heute eben nicht! „Amerikaner würden sich in so einer Situation (wie der vom Erschießungskommando; D.K.) nicht anders verhalten. Wir müssen versuchen zu verstehen, um dann moralisch urteilen zu können.“
Gibt es im Film Widerspruch? Nein! Nix Einmaligkeit des Holocaust? Alles ganz normal, „Bei den Tutsi und Hutu in Ruanda war das doch auch so“, „Unschuldige werden überall in der Welt getötet“, und so geht’s auch weiter? „Jeder einzelne muss was tun“, d.h. das Individuum muss ran, sagt die liberale Ideologie.
Dieser Text ist zuerst erschienen in: Konkret 1/2014