Der Film „Tanja – Life in Movement“ widmet sich dem Erbe der Tänzerin Tanja Liedtke
„Ich möchte eine Blume sein“, habe sie sich als Dreijährige gewünscht, sagt Tanja Liedtke, während die flirrenden Bilder einer fast schwerelos wirkenden Tänzerin vorüberziehen. Dass dieser kindliche Wunsch doch nicht ganz unmöglich war, habe sie dann später in einer Aufführung des „Blumenwalzer“ gemerkt. Also wurde das 1977 in Stuttgart geborene, langgliedrige Mädchen in den Tanzunterricht geschickt: Zunächst in Madrid, wohin die Familie zog, später an Ballettschulen in London. „Ich fand das, was ich tief im Inneren wirklich tun wollte“, bekennt die junge Frau mit einer sympathisch offenen Ausstrahlung in der Rückschau. „Es wurde meine Liebe und Leidenschaft. Es ging mir in Fleisch und Blut über.“ Was man sofort glaubt, wenn man Szenen sieht, in denen ihre körperliche Beweglichkeit und ein pantomimisches Talent ganz unangestrengt zu ausdrucksstarken, dabei unkonventionellen Bildern zusammenfließen. Nach Engagements in Australien und London überträgt man der Tänzerin und aufstrebenden Choreographin überraschend die Leitung der renommierten Sydney Dance Company. Doch noch ehe sie die Stelle antreten kann, wird sie im August 2007 mit 29 Jahren durch einen tragischen Unfall aus dem Leben gerissen.
Bryan Masons und Sophie Hydes Dokumentarfilm „Tanja – Life in Movement“ ist insofern zunächst Hommage und filmischer Nachruf auf eine begabte junge Tänzerin und Choreographin. In Erinnerungen von Freunden, Kollegen und Familienmitgliedern, in Filmausschnitten umjubelter Aufführungen und privaten Videos wird die schmerzliche Trauer über diesen unglaublichen Verlust vermittelt und spürbar. Im Weiteren dokumentieren die Filmemacher Tanja Liedtkes Erbe, indem sie die Probearbeiten ihres früheren Ensembles, einer Gruppe ausgesprochener Individualisten, bei der Einstudierung ihrer Choreographien beobachten. Diese werden von ihrem ehemaligen Lebens- und Arbeitspartner Solon Ulbrich geleitet. Doch wie lässt sich diese Gruppe zusammenhalten, wenn ihre Hauptperson fehlt? Und wie lässt sich eine Kunst realisieren und vor allem weiterentwickeln, wenn die Inspirationen der maßgeblichen Ideengeberin nur noch Erinnerung sind?
Der Tanja Liedtke gewidmete Dokumentarfilm zeigt dieses schwierige Ringen als Prozess der Annäherung und Vergewisserung. Im Nachdenken über ihre Choreographien „Twelfth Floor“ („Zwölfter Stock') und „Construct“, in denen es zum einen um die Erforschung eines „erzwungenen Zusammenlebens“, zum anderen um die Erschaffung von Lebenswelten geht, zeigt sich, wie eng bei dieser außerordentlichen Tanzkünstlerin Leben und Kunst zusammenhängen. Vor allem die Bilder des Eingesperrt-Seins in einer verrückten Welt reflektieren die inneren Kämpfe und Selbstzweifel dieser ebenso stark wie zerbrechlich wirkenden Tänzerin. Auch wenn die Trauer über ihren Verlust als Schatten über dem Film liegt, so zeigt dieser anhand der Arbeit ihre Ensembles doch auch das Weiterleben Tanja Liedtkes in ihrem Werk.