Es braucht nur ein einziges Bild, eine eigentlich simple Einstellung, und die Stimmung ist gesetzt, gleich vom ersten Moment an. Durch ein Fernglas sehen wir ein junges Mädchen, um die 16, an einem Strand liegen. Die Sonne strahlt herab, das Mädchen öffnet ihr Bikini-Oberteil, die Musik von Philippe Rombi schwillt leicht unheilvoll an – wir sind unmissverständlich in einem ikonografischen Film von François Ozon. Kaum ein anderer Regisseur versteht es, mit so wenigen Mitteln ein derart typisch „französisches“ Flair auf die Leinwand zu zaubern und dabei dem Klischee ein ironisches Augenzwinkern beizumengen.
Das Mädchen heißt Isabelle und wird in diesem Sommer erstmals die körperliche Liebe entdecken und im darauf folgenden Herbst auch die käufliche Liebe, und Ozon lädt diesen überraschenden Schritt nach dem verspielten ersten Kapitel nicht mit banalen Erklärungen auf, er zeigt lediglich und lässt seine Erzählung für sich sprechen. Aus dem unbedarften Mädchen wird innerhalb weniger Schnitte eine kühl berechnende junge Frau ohne Illusionen, die sich älter gibt und gut situierte Herren in schmucklosen Hotelzimmern trifft. Und gerade weil Ozon so wenig Psychologisierendes preisgibt, lädt sich das Verhalten Isabelles ins Ungeheuerliche auf: Was treibt sie an? Ist es lediglich das Geld? Die Lust an der Grenzerfahrung? Eine verquere Form jugendlicher Rebellion? Von allem etwas?
Wir kommen im ganzen Verlauf des Films nie näher an Isabelle heran, ebenso wenig wie ihre Mutter, auch wenn sie das Doppelleben ihrer Tochter eines Tages entdeckt und naturgemäß schockiert ist (aber vielleicht auch nicht allzu sehr). Denn Marine Vacth, die Darstellerin der Isabelle und französisches Supermodel für Yves Saint Laurent und Chloé, verleiht Isabelle trotz allen Körpereinsatzes eine Aura der Unnahbarkeit und des Geheimnisses. Selbst – oder gerade – wenn sie völlig nackt ist, gibt sie längst noch nichts von sich preis. Die allzu schnell herbeizitierten Vergleiche zu Buñuels „Belle de jour“ greifen allerdings jenseits einer gewissen Unterkühltheit ins Leere. François Ozon ist kein Regisseur des Surrealen, selbst das geflügelte Baby in „Ricky“ verwurzelte er in eine naturalistische Bildsprache – die das Groteske freilich noch überhöhte.
Ein junges Mädchen prostituiert sich, nicht aus Not oder Zwang, es wird weder moralisiert noch pathologisiert – „Jung & schön“ erzählt schnörkellos und doch raffiniert, insbesondere gegen Ende, und mit großer Souveränität von einem undurchschaubaren Charakter, subtil und unverwechselbar, nun ja: französisch. Ozon eben.