Nicht wenige Filme sind beim Verlassen des Kinos längst vergessen, doch es gibt ein paar Exemplare, die wachsen nicht nur mit jedem Sehen, sondern man kann sich in ihnen voll und ganz verlieren – und darüber zu einem komischen Kauz werden, wie die fünf Protagonisten des Dokumentarfilms „Room 237“, die zwar nie im Bild zu sehen sind, deren Theorien sich aber in den Untiefen der Kubrick-Analyse festkrallen und ganz Erstaunliches zu Tage fördern.
Das Zimmer 237 ist die berühmt-berüchtigte No-Go-Area in Stanley Kubricks Stephen-King-Veredelung „The Shining“, nicht nur einer der gewaltigsten Horrorstreifen der Kinogeschichte, sondern bekanntermaßen auch ein Film voller Anspielungen, versteckter Metaebenen und Basis unzähliger Verschwörungstheorien. Also ein wahrer Quell der Freude für postmoderne Popkultur-Nerds mit zu viel Tagesfreizeit, die jedes Standbild einer Einzelanalyse unterziehen und nicht nur schlüssige Bezüge zum Genozid an Amerikas Ureinwohnern, zum Holocaust oder zur gefaketen Mondlandung herstellen, sondern auch aus Logiksprüngen und banalsten Anschlussfehlern die grandiosesten Theorien hervorzaubern. Meister Kubrick macht schließlich keine Fehler, bei diesem Perfektionisten ist alles Bedeutung, Verweis und Sinn.
Und gerade weil die Filmbuffs in „Room 237“ oftmals über das Ziel hinausschießen, macht diese Doku solch einen Spaß, zumal es irgendwann gar nicht mehr um Kubrick und seinen Welttheaterentwurf geht, sondern um eben diese bewundernswerten, aber auch irgendwie traurigen Nerds, die zumindest mit einer gehörigen Portion Selbstironie erkennen, worin sie sich mitunter verrennen. „The Shining“ parallel vorwärts und rückwärts abzuspielen, mag zwar eine hübsche Remix-Idee sein, doch der Erkenntnisgewinn bleibt minimal beziehungsweise wahrscheinlich genau so groß, wie bei jedem anderen Film auch. Aber die Akribie, mit der Karten vom Overlook-Hotel angefertigt werden, die unmögliche Fenster offenbaren – die natürlich auch wieder ihre eigene, besondere Bedeutung haben – zeugt von einer wahren Liebe zum Objekt. Und wer einmal die große Stanley-Kubrick-Ausstellung besucht hat, die vor einigen Jahren durch diverse Museen in Deutschland wanderte, und dort die abertausend Notizzettel gesehen hat, die Kubrick für sein gescheitertes „Napoleon“-Projekt anfertigte, kann sich vorstellen, dass der enigmatische Filmemacher unbändig stolz auf „Room 237“ und die Leidenschaft seiner Protagonisten gewesen wäre.