Auf der Suche nach seiner Geliebten mit dem Namen Laura gerät ein Detektiv eines Nachts zu einer mysteriösen Villa und dort in die Fänge zweier Frauen, die halbnackt bei strömendem Regen im Garten eine Leiche begraben. Sie überwältigen ihn, und in einer Eruption der sexuellen Obsession und barocken Dekadenz steigert sich das Trio in rücksichtslosen Rollenspielen derart in Zustände des Irrsinns und der Ekstase hinein, dass das Morden des Anderen als höchste Form der Lustgewinns wie eine plausible Notwendigkeit erscheint.
Dabei ist 'Singapore Sling', auch angesichts des Rufes, der ihm vorauseilt, alles andere als ein trashiges B-Movie, das in einem Drive-In-Kino oder einer Mitternachtsschiene eines Bahnhofkinos unter Ausschluss einer breiteren Öffentlichkeit verheizt werden sollte. Vielmehr ist er trotz seines äußerst geringen Budgets der beeindruckende Kunst-Film einer kreativen Potenz, eines originären und radikalen Filmemachers. Eines Mannes, der besessen war vom Kino, und der diese Besessenheit auch in seine Filme einfließen ließ. Der sein Publikum immer wieder herausgefordert und vor den Kopf gestoßen hatte. Der seinen Schauspielern so viel abverlangte, dass er seine Rollen nicht besetzt bekam. Einer, der die erotischste Szene neben die ekligste stellt, der stilistisch durch die Genres springt, der mit einem Film Noir-Zitat beginnt und in erotisch explosives Arthousekino abdriftet, das an der Grenze zum Porno schrammt. Der keine Angst hat, Körper zu inszenieren, wenn einmal tatsächlich alle Hemmungen fallen. Am eindrücklichsten und bekanntesten dürfte die Selbstbefriedigungsszene mit einer Kiwi (!) sein, die sich die Protagonistin in den Schoß einmassiert und zerdrückt.
Und so ist 'Singapore Sling' – übrigens eigentlich der Name eines Longdrinks, der dann dem Detektiven von Mutter und Tochter verliehen wird – ein visuell herausragender Film, der auch vor allem formal, und dies nicht nur auf einer verquasten Metaebene, völlig überzeugen kann. Der seine Geschichte über Bilder erzählt und nicht über Handlung, mit Ellipsen Finten und Spuren legt, der seine Figuren in drei verschiedenen Sprachen sprechen lässt wie einen griechischen Chor und in Monologen das Publikum direkt anspricht. Der die vierte Wand einreißt ohne künstlich zu wirken und schönerweise nie an Zugkraft verliert. Der die Zügel nicht aus der Hand lässt und sich so nie in einer experimentellen Beliebigkeit verliert. Vielmehr vermittelt Nikolaidis‘ Film den Eindruck des vollkommenen Durchgeformtseins. 'Singapore Sling' ist schlicht großartiges Kino: herausfordernd, kraftvoll, verführerisch, humorvoll, bizarr, atemberaubend.
Die Veröffentlichung beim Independentlabel Bildstörung ist von gewohnt hochwertiger Qualität: Die Doppel-DVD kommt in der Pappschuberverpackung mit der üblichen Rahmung der Drop Out-Serie (der FSK-Flatschen ist wieder auf einem zusätzlichen Umschlag aufgedruckt, der entsorgt werden kann). Der Einleger der Amaray ist eine Bildfolge aus verschiedenen Film-Stills und unterscheidet sich vom etwas reißerisch-grobschlächtigen Cover des Schubers (was bei anderen Labels keine Selbstverständlichkeit ist). DVD 1: Das Bild des Featurefilms ist sehr gut: scharf, kontraststark, mit guten Schwarzwerten. Untertitel können auf deutsch oder englisch hinzugewählt werden. DVD 2: Bonusmaterial: neben einem Interview mit Nikolaidis selbst befindet sich eine etwa 75 minütige Dokumentation über den Regisseur auf der DVD, in der verschiedene Lebensgefährten und Schauspieler zu Wort kommen und das Leben und Werk des Meisters erörtert wird. Filmausschnitte werden zur Veranschaulichung herangezogen. Die Doku mit dem etwas reißerischen Titel „Directing Hell“ macht enorme Lust auf das Gesamtwerk Nikolaidis‘, sie arbeitet sehr überzeugend die Besonderheiten seiner Filme heraus und beleuchtet auch Nikolaidis als Exzentriker. Abgerundet wird die DVD von mehreren Werbespots, die den Regisseur auch als kommerziellen Filmemacher vorstellen. Filme, mit denen er seinen Lebensunterhalt finanzierte und die dennoch seinen Stil erkennen lassen. Neben der Doku ist aber das mehrseitige, ausführliche Essay von Splatting Image-Autor Gerd Reda das Herzstück des Bonusmaterials. Sehr kundig und flüssig geschrieben, ordnet er 'Singapore Sling' in Nikolaidis‘ Gesamtwerk ein, spürt der Faszination dieses bizarren, eklektischen Filmes nach und deckt zahlreiche filmhistorische Verweise auf. So werden Kontexte aus dem Film Noir, der Slapstick-Komödie und dem Genre des Horrorfilms in den Fokus gerückt, bevor einige Anekdoten aus dem Leben des Regisseurs das Essay abrunden. Kurzum: eine hervorragende Veröffentlichung, deren Anschaffung hiermit ausdrücklich empfohlen sei.