Ein Mensch wird gefangen gehalten, obwohl überhaupt nicht klar ist, ob es dafür stichhaltige Gründe gibt. Er wird verhört, um diese Maßnahme zu rechtfertigen; und er wird gefoltert, um Geständnisse zu erzwingen, deren Wahrheitsgehalt von vornherein fraglich ist. In jedem Fall aber legitimiert auf paradoxe Weise der Gefangene das Gefängnis, der Freiheitsentzug die Methoden des Verhörs. Das „System Guantanamo“ hat dies der Filmemacher Stefan Schaller, Absolvent der Filmakademie Ludwigsburg, genannt. Sein beeindruckender Abschlussfilm „5 Jahre Leben“, der auf Erlebnissen des ehemaligen Guantanamo-Häftlings Murat Kurnaz basiert, reiht sich zunächst ein in das Genre des politischen Gefängnisfilms. Zu dessen herausragendsten Arbeiten der jüngsten Vergangenheit gehören Marco Bechis „Junta“ und „Hunger“ von Steve McQueen. Auch Schaller zeigt einen Menschen, der staatlicher Willkür ausgesetzt ist, der körperlich und seelisch misshandelt, gedemütigt und entwürdigt wird.
Anders als seine Vorgänger erzählt „5 Jahre Leben“ allerdings eine Überlebensgeschichte unter extremen Bedingungen. Auch wenn Kurnaz (Sascha Alexander Geršak) einmal sagt, der Tod sei seine Waffe, führt er seinen Kampf trotz Hungerstreik und Einzelhaft eher mental als physisch. Dazu passt, dass der Regisseur seinen Blick weniger auf die Härten körperlicher Gewalt richtet, sondern auf das psychische Duell zwischen dem amerikanischen Verhörspezialisten Gail Holford (Ben Miles) und dem in Ketten gelegten Murat Kurnaz, der zunächst jegliche Kooperation verweigert. Insofern zeigt der Film, wie sich Holford mittels perfider Täuschungsmanöver in einer Art Psychokrieg immer wieder das Vertrauen des türkischstämmigen Bremers erschleicht und ihn in ein permanentes Wechselbad aus Hoffnung und Verzweiflung stürzt. Unsicherheit und Ungewissheit werden hier gewissermaßen total. „Ich weiß mehr über dein Leben als du selbst“, sagt Holford einmal in einer Schlüsselszene dieses Seelenterrors.
Stefan Schallers Inszenierung vermittelt Klaustrophobie und hilfloses Ausgeliefertsein durch zeitliche und räumliche Verdichtung. Dabei zeigt sein Film ein hochmodernes System totaler Kontrolle, das sich mit archaischen Formen der Zurichtung und Strafe verbindet. Ästhetisch weniger radikal als die oben erwähnten Werke, finden sich in „5 Jahre Leben“ aber auch dramaturgische Abmilderungen und Atempausen. Dazu zählen die kontrastierenden Rückblenden „nach draußen“, in Kurnaz‘ Vergangenheit, die inhaltlich mitunter etwas dürftig ausfallen; die dramatisch leider entschärfend wirkende Filmmusik von Enik; oder auch die tragische Freundschaft des tierliebenden Kurnaz zu einer Echse, die schließlich zur Metapher des Lebens und Überlebens im Exil der inneren Freiheit wird.