Zwei Stunden außerhalb der amerikanischen Großstädte sieht es überall wie in Kentucky aus. Felder, so weit das Auge reicht, Pick-Up-Trucks mit kernigen Typen in Flanellhemden hinter dem Steuer zieren die Straßenzüge der Provinznester und der einzige Hardwarestore im Ort wirbt mit „Guns, Groceries, Guitars, Gas“. Hier wird über Lokalpolitik noch in der Sporthalle abgestimmt. Oder in der einzigen Bar des Ortes, wo man als Auswärtiger die Leute schon für sich gewinnt, indem man zur Open Mic-Nacht Bruce Springsteen singt.
Gus Van Sant streift mit „Promised Land“ unzählige Klischee über das „wahre“ Amerika, doch selbst wenn bei ihm jede zweite Einstellung auf den unauflöslichen Widerspruch von Stadt und (Hinter-)Land hinausläuft, sind seine Beobachtungen sympathisch. Mit seiner Ballade vom kleinen Mann liefert Van Sant eine klassische Americana-Erzählung ab. Steve (Matt Damon) und Sue (Frances McDermond) sind von einem globalen Energiekonzern nach Pennsylvania geschickt worden, um die Bewohner vom Verkauf ihrer Länder zu überzeugen. In den Gesteinsschichten unter dem Farmland lagern riesige Erdgasvorkommen, die die Unabhängigkeit der USA vom Öl aus dem Nahen Osten gewährleisten könnten. Und die Abgesandten von „Big Business“ wissen, dass sie leichtes Spiel haben, auch wenn die Fördermethode des „Fracking“ unabsehbare Umweltrisiken birgt. „Ihr seid hier, weil wir arm sind“, hält ihnen ein Farmer vor.
Gus Van Sant weiß um das Dilemma, das der idyllischen Vorstellung dieses Amerika innewohnt. Die Natur strahlt wie von innen heraus illuminiert, aber der wirtschaftliche Niedergang ist allgegenwärtig. Damons Steve dient in „Promised Land“ als moralische Kippfigur. Steve ist ebenfalls ein Junge vom Land. Er musste mitansehen, wie die Familie ihre Lebensgrundlage verlor, als die Fabrik des Vaters dicht machte. Jetzt wähnt er sich auf der Seite des Fortschritts, wenn er den Farmern und Fertighausbewohnern viel Geld für ihr Land bietet. Fuck you, Strukturwandel! Fuck you-Geld, sagt Steve, mach‘ dich frei. Die Frage ist, welchen Preis man zu zahlen gewillt ist.
Van Sants Botschaft ist unmissverständlich, aber an „Promised Land“ erweist sich mal wieder, dass das amerikanische Erzählkino seine moralische Deutungshoheit glänzend zu verkaufen versteht. Die Konflikte erschöpfen sich nie in bloßen Behauptungen, sie verweisen in vielen unscheinbaren Facetten immer wieder auf reale Lebensverhältnisse. Van Sant gelingt es leichthändig, ein hochaktuelles Umwelt-Statement sogar noch mit einer zarten Romanze zu verbinden, er macht sich über die Städter (und ein wenig auch über die Landeier) lustig – und am Ende hängt, rechtzeitig zum Schlussplädoyer, eine amerikanische Flagge im Hintergrund. „Promised Land“ ist hochwertiges Hollywood-Kino. Frank Capra hätte es nicht besser gemacht.