Eine abgelegene Hütte im Wald, eigentlich eher eine heruntergekommene Bretterbude, aber unter ihr befindet sich – gänzlich untypisch für Nordamerika – ein weitläufiger Keller. Dort, in diesem Keller liegt der Schlüssel zu einem Tor zur Hölle: ein in Menschenhaut geschlagenes Buch mit mystischen Krakeleien, Beschwörungssprüchen in einer fremden Sprache und Tuschezeichnungen von Lovecraft’schen Ungeheuern. Diese Hütte im dunklen Märchenwald wartet nur darauf, dass eine Gruppe junger Erwachsener eintrifft, um dort die Nacht zu verbringen. Dann rumpelt es im Keller, bis die Twens – drei Frauen, zwei Männer – die Luke im Boden finden und in den Keller hinabsteigen. Und bald beginnt ein besonders Neugieriger von ihnen, in dem Buch zu blättern und unbeholfen die bösen Worte vorzutragen. Nun erwacht etwas in den Wäldern. Bäume und Gestrüpp entwickeln ein Eigenleben, Wurzeln und Zweige greifen nach einer der Frauen, einer der Äste fährt ihr zwischen die Beine. An Flucht ist nicht zu denken, die Natur hat sich gegen die zum Menschenopfer bestimmten Neuankömmlinge verschworen: Der nahegelegene Fluss tritt über die Ufer und flutet die einzige Straße, die einen Ausweg bieten könnte. Dann ergreift das Böse nach und nach von den unglückseligen Besuchern Besitz, die in Rage auf einander losgehen.
Die Dramaturgie erinnert an einen bösen Abzählreim, allerdings in einer sadistisch gewendeten Achterbahnvariante: Die Überbietungsstrategie setzt auf Terror und Schock und Ekel, und die Überlebenden richten bald alle Haushaltsutensilien und Waffen, die sich finden lassen, gegen die anderen und sich selbst – von der Axt über die Schrotflinte bis zur Königsdisziplin des Genres: der benzinbetriebenen Kettensäge. Neben der drastisch ausgespielten Gewalt spielen Suspense und Atmosphäre eine wichtige Rolle, auch als Rückgriff auf die Gothic-Wurzeln des Genres. So stehen gleichberechtigt neben all dem Blut und dem Gekröse die starken Bilder der schwarzen Romantik und der religiösen Apokalyptik: wabernder Kunstnebel; suggestive Kamerafahrten; die Sonne geht unerwartet am Tag unter; auch der fahle Vollmond versinkt bald im Schwarz einer ewigen Nacht. Wir kennen das: 'Und die Sonne ward schwarz wie ein härener Sack, und der Mond ward wie Blut; und die Sterne des Himmels fielen auf die Erde'. Selten jedoch hat das Kino diese Bilder so drastisch und mit einer solch zügellosen Lust bis zur Groteske ausgelebt.
Die Geschichte von der Hütte im Wald und den fünf Seelen, die der Dämon bei seinem Erwachen frisst, hat der 22-jährige Sam Raimi vor mehr als 30 Jahren in seinem Kultklassiker 'The Evil Dead' ('Tanz der Teufel'; 1981) so furios wie lustvoll erzählt – für ein lächerlich geringes Budget von gerade einmal 375 000 US-Dollar und mit Freunden vor und hinter der Kamera (mit dabei als Schnittassistent: der junge Joel Coen, drei Jahre vor seinem Debüt 'Blood Simple'). Nun, 2013, erzählt der uruguayische Regisseur Fede Alvarez die gleiche Geschichte noch einmal, diesmal für 17 Millionen US-Dollar und im Auftrag des Produzenten Raimi. Der hat sich, ähnlich wie sein neuseeländischer Kollege Peter Jackson, längst mit Multimillionen-Dollar-Produktionen wie den drei 'Spiderman'-Filmen (2002-2007) und dem 3D-Disney-Spektakel 'Oz the Great and Powerful' ('Die Fantastische Welt von Oz'; 2013) als prestigeträchtiger Großregisseur etabliert. Alvarez dagegen, der nach einigen Kurzfilmen hier sein Spielfilmdebüt inszeniert, kehrt zurück zu den Wurzeln der einfachen Geschichte, die seit mehr als 30 Jahren durch das Kino geistert: Zunächst in Raimis Kurzfilmvariante 'Within the Woods' von 1978, mit der der Jungregisseur Investoren für seinen Debütfilm zu begeistern suchte; dann mit dem ersten 'Evil Dead', der den harten Horrorfilm der 70er Jahre geschult am Körperhumor der 'Three Stooges', dem Cartoon-Wahnwitz der 'Looney Tunes' und der Unbekümmertheit des internationalen Trash-Kinos als 'Splatstick' neu erfand. 1987 erreichte Raimi mit dem für das zehnfache Budget des Vorgängers realisierten 'Evil Dead II – Dead By Dawn' ('Tanz der Teufel 2') den Höhepunkt der Blut-&-Eingeweide-Grotesken der 80er Jahre. Der eher harmlose Slapstick-Horror von 'Army of Darkness' ('Armee der Finsternis'; 1992) mit seinen Anspielungen an den kürzlich verstorbenen Ray Harryhausen und die Sandalenfilme italienischer und US-amerikanischer Provenienz wurde bald abgelöst von einer Vielzahl mehr oder weniger gelungener Varianten der Ursprungsgeschichte. So versuchte sich Grimme-Preisträger Gert Steinheimer in seinem völlig vergeigten deutschen Beitrag 'Black Forest' 2010 an einer Medienkritik-Variante; Regisseure wie Eli Roth ('Cabin Fever'; 2002), Ti West ('Cabin Fever II: Spring Fever'; 2009) und Drew Goddard ('The Cabin in the Woods'; 2012) schufen Varianten, die mal die sexuelle Komponente betonten ('Cabin Fever'), mal mit Drogenmetaphorik spielten ('Cabin Fever II') oder gleich die ganze Formel in einer doppelt postmodern gedrechselten Meta-Variante zur Fortführung Jahrtausende alter Rituale mit modernen Mitteln umdeuteten (The Cabin in the Woods'). Nachdem alle denkbaren Varianten des Stoffs auserzählt sind, was bleibt Alvarez da noch für seine Neuauflage übrig? Er versucht das Naheliegende: Das Original noch einmal erzählen, mit möglichst wenigen Abweichungen von der Urgeschichte. Er will den Fans des Originals alles rechtmachen. Und verfehlt dabei doch den Kern des Originals.
Neu hinzugekommen im Remake ist ein Prolog, der den Zweck erfüllen soll, dem namenlosen Terror eine Mythologie zu geben – und der doch nur Verwirrung stiftet. Ebenfalls neu: die aufgesetzte Motivation für das blutige Wochenende im Wald. Diesmal ist der Vorwand kein Kurzurlaub, sondern ein Ausflug, bei dem die Studenten Eric, Olivia und Natalie (Lou Taylor Pucci, Jessica Lucas und Elizabeth Blackmore) ihrer Freundin Mia (Jane Levy) beim Drogenentzug beistehen wollen. Mit dabei beim 'cold turkey' im Wald ist deren Bruder David (Shiloh Fernandez). Was fehlt (tatsächlich verzichtbar): Der bestimmte Artikel 'The' im Titel. Und (umso schmerzhafter): Bruce Campbell, der Star der ersten drei 'Evil Dead'-Filme, der dort den menschlichen Sandsack gab. Rührend naiv und zu allem entschlossen war er zugleich das Herz und die Seele der Filme; eine Figur, über die das Publikum sich amüsieren und mit der es mitleiden konnte. In der Version von 2013 erhält Campbell nur einen Mini-Cameo – nach den Abspanntiteln und völlig uninspiriert. Das Personal des neuen 'Evil Dead' dagegen ist völlig austauschbar. Passé sind auch die Ironie, der überdrehte Witz und die Tragik, die Raimi trotz begrenzter Mittel, Laiendarsteller und semiprofessionellem Personal vor und hinter der Kamera allen Unzulänglichkeiten zum Trotz wie aus dem Nichts zauberte. In der Bundesrepublik, in der sein Film als 'Tanz der Teufel' Mitte der 1980er Jahre zum Fall für die Staatsanwaltschaft wurde, haben die Behörden bis heute den anarchischen Humor des Films nicht verstanden. Erst 1992 wurde das Verbot des Films wegen 'Gewaltverherrlichung' vom Bundesverfassungsgericht aufgehoben und 'Tanz der Teufel' offiziell zu Kunst erklärt. Kurz darauf wurde der Film, der heute in Frankreich ab 12 (!), in Italien ab 14 und in den Niederlande ab 16 Jahren freigegeben ist, in seiner ungeschnittenen Fassung abermals indiziert. Nach einer Novellierung des entsprechenden Paragraphen 131 des Strafgesetzbuchs im Jahr 2003 gilt diese Fassung wieder als beschlagnahmt. Bis heute hat sich daran nichts geändert.
Diese besondere deutsche Situation dürfte Alvarez weder bekannt sein, noch ihn sonderlich beeindrucken. Tatsächlich steigert seine 'Evil Dead'-Neuauflage den Blutzoll des Vorgängers erheblich. Obendrein verzichtet er wie Franck Khalfoun in seinem durchaus ambitionierten 'Maniac'-Remake (Alexandre Ajas Maniac'; 2012) auf jegliche ironische Brechungen. So treten die Schauspieler im Remake vornehmlich als Kanonenfutter für die garstige Dämonenbrut an, die Alvarez nur allzu gerne von der Leine lässt, und kehrt der harte Horror der 'Video Nasties'-Ära der frühen 80er Jahre zurück. Zumindest auf die Kinoleinwand, denn auf DVD und Blu-ray sind beide Filme sichere Kandidaten für den Indizierungswahn der 'Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien'. Da gehe ich jede Wette ein.
Doch während jüngere Varianten des Stoffs wie 'The Cabin in the Woods' oder auch Sam Raimis Regiearbeit 'Drag Me to Hell' (2009) trotz ihrer ironischen Haltung gegenüber dem Genre tatsächlich etwas Innovatives erreichten und dem Stoff entweder eine neue Mythologie hinzufügen ('The Cabin …') oder die alten Geschichten effektiv modernisieren ('Drag Me …'), da bleibt Alvarez‘ Teufelstanz nur ein schwacher Abklatsch von Raimis Low-Budget-Klassiker. Der neue 'Evil Dead' wirkt schal und leer: Nur wenig findet sich hier von Raimis Sensibilität für schwarzromantische Bildwelten und seinen aus der Not geborenen technischen Innovationen, die er durch die mit einfachsten Mitteln realisierten rasanten Kamerafahrten in das Genre eingebracht hat. Auch wenn Alvarez‘ überwiegend auf CGI-Computereffekte verzichtet, wirkt sein Remake wie eine kalkulierte Nummernrevue, die sich nicht zwischen grotesker Übersteigerung des Körperhorrors und echtem Schmerz entscheiden kann. So ist die wirklich schockierende Erkenntnis der in den USA erstaunlich erfolgreichen 'Evil Dead'-Neuauflage (knapp 50 Millionen Einspiel in den ersten drei Wochen), dass es Raimi und Konsorten mehr als 30 Jahre zuvor mit einem Mini-Budget und selbstgemachten Stop-Motion-Effekten gelang, den effektiveren Horrorfilm zu inszenieren.
Einzig in der letzten Sequenz findet Alvarez zu einem originären, gänzlich apokalyptischen Bild: Während die Kettensäge wieder und wieder in einen zuckenden Körper fährt, beginnt es plötzlich Blut vom Himmel zu regnen. Hier gelingt es Alvarez immerhin, noch einmal das Groteske zu beschwören und zu so etwas wie einer eigenen Poesie der Gewalt zu finden. Aber sonst ist es, als hätten die Springteufel im Wald nicht nur die Seelen der verfluchten Collegestudenten gefressen, sondern gleich das Herz des Films.