Das Kino der 1980er Jahre ist, zugespitzt formuliert, ein Kino der Oberfläche. Mit ungeahnten Schauwerten holen die in dieser Dekade entstandene Blockbuster wie „Indiana Jones“ (1981) oder „Aliens“ (1986) die Zuschauer von den Fernsehsesseln zurück ins Kino und nutzen die neuen technischen Möglichkeiten für eindrucksvolles Production Design. Der Kunsthistoriker Jürgen Müller spricht in diesem Zusammenhang etwa von der „Apologie der Oberfläche“ und verweist auf die Obsession von Filmemachern wie Ridley Scott, mit der Ästhetik der Oberfläche die Illusionskraft des bewegten Bildes zu betonen und gleichzeitig zu hinterfragen. Denn als Grenze eines Innen und Außen wird die Oberfläche auch von der Frage nach den dahinter liegenden Wahrheiten bestimmt: In „Blue Velvet“ (1986) beispielsweise in Gestalt einer Reise an die hinter den Fassaden liegenden düsteren Orte amerikanischer Vorstadtnormalitäten.
Aber auch abseits des Kinos ist das Motiv der Oberfläche von eminenter Bedeutung für das Jahrzehnt. So beschreibt Bret Easton Ellis in seinen Romanen über die Neonlichtdekade eine übersättigte, gelangweilte und nur an Äußerlichkeiten interessierte Welt. Daneben hat Steve Jobs in den 80ern auf andere Art das Potenzial der Oberfläche erkannt und mit dem „Macintosh 128k“ (1984) nicht nur einen der ersten PCs mit einer grafischen Benutzeroberfläche auf dem Markt etabliert, sondern den Computer von seinem hässlichen Gehäuse zu befreien versucht und schließlich ein Unternehmen erschaffen, das vor allem perfektes Design und weniger perfekte Technik herstellt.
„Oblivion“ ist in vielen Aspekten ebenfalls ein Kind der 1980er Jahre und der Fixierung auf das Äußere. Regisseur Joseph Kosinski, 1974 geboren und mit den Filmen der Reagan-Ära groß geworden, lieferte bereits 2010 mit „Tron: Legacy“ eine Fortsetzung des Sci-Fi-Streifens „Tron“ (1982) ab, der sich in seinem spiegelnden und nur von Neonlicht durchzogenen Schwarz vollkommen der Oberfläche (und leider auch der Oberflächlichkeit) verschrieben hatte. In seinem zweiten Film knüpft Kosinski in ästhetischer Hinsicht direkt an den verunglückten „Tron: Legacy“ an, nur wird den diesmal strahlend weißen, spiegelnden und transparenten Dekors eine Geschichte an die Seite gestellt, die zumindest vom Kohärenzwillen des Regisseurs zeugt.
Im Jahr 2077 ist Techniker Jack Harper (Tom Cruise als WALL-E von Scientology, wenn man so will) zusammen mit seiner makellosen Kollegin Victoria (Andrea Riseborough) auf der von Aliens zerstörten Erde als Reparaturteam im Einsatz. Hier überwachen sie als letzte auf der Erde verbliebene Menschen riesige, über dem Meer schwebende Maschinen, die Ressourcen aus dem verwüsteten Planeten extrahieren.
Bereits in diesen einleitenden Szenen preist die Kamera das virtuose Design des Filmes, fliegt mit Jacks Gleiter ausgiebig über die in Schönheit erstarrte Erdoberfläche, die selbst in ihrer Zerstörung noch aufgeräumt erscheint oder ergötzt sich am gleichsam über dem Boden schwebenden Haus des Technikers, das (sich ganz der Form verschreibend) sogar mit einem durchsichtigen Swimmingpool aufwarten kann. Untermalt werden diese Zelebrierungen des schönen Scheins, in denen sich der Plot kaum entwickelt, mit dem Score der französischen Elektropop-Band M83, deren 80er-Jahre-Synthi-Wurzeln deutlich herauszuhören sind.
Das perfekte und bisweilen transparente Äußere verweist indes auch in „Oblivion“ auf ein Dahinter. Als Jack eine abgestürzte Rettungskapsel findet, in der eine Frau (Olga Kurylenko) im Tiefschlaf liegt, gerät das aseptische Technikerleben aus den Fugen und die wohldosierte Action nimmt ihren Lauf. Zugleich sorgen das im Titel angedeutete Motiv der Erinnerung sowie die damit einhergehende Frage nach dem Erkennen des eigenen Selbst für die nötigen Wendungen, denn Jack kennt die schöne Unbekannte bereits aus seinen Träumen.
In diesem Zusammenhang wirken die zahlreichen Filmzitate, die von „2001: Space Odyssee“ über „Mad Max – Jenseits der Donnerkuppel“ bis hin zu „Independence Day“ oder „Matrix“ reichen und mitunter nur knapp dem Plagiatsvorwurf entgehen, wie die Überreste eines vergangenen, sich erinnernden Kinos. Sogar Hauptdarsteller Cruise tritt gleichsam als Zitat seiner selbst auf, begann doch die Karriere des Saubermannes ebenfalls in den 1980er Jahren.
Dessen schauspielerische Leistung bleibt jedoch zu routiniert und glatt, weshalb die entstehende Liebesgeschichte zwischen Jack und der Rettungskapselschönheit zu keinem Zeitpunkt richtig Fahrt aufnehmen will. Ähnlich ergeht es den unter der Oberfläche liegenden Themen, die um Kritik am umweltbedrohenden Turbokapitalismus transkontinentaler Konzerne und dem im digitalen Zeitalter transparent gewordenen Menschen (Stichwort durchsichtiger Swimmingpool) kreisen, sich unter der Eindeutigkeit der Werbeästhetik aber als zu plakativ gebärden.
Getreu dem Grundsatz „Sometimes the design is the statement“, mit dem Ridley Scott einst die Kritik an seiner Versessenheit auf das Production Design in „Blade Runner“ kommentiert hat, erschafft Joseph Kosinski mit „Oblivion“ einen sehenswerten Oberflächenfilm, dem es leider an der Originalität und Subtilität seiner Vorbilder mangelt.