Das erste Bild des Films zeigt, vermittelt, sublimiert, das Eingesperrtsein Jafar Panahis, der in seiner iranischen Heimat mit einem zwanzigjährigen Berufsverbot belegt ist und doch irgendwie nach 'This Is Not a Movie' (2011) nun schon seinen zweiten 'Nicht-Film' vorgelegt hat: Ein vergittertes Fenster, der Blick geht nach draußen. In der Ferne das Meer. Ein Taxi fährt vor, der Fahrer (Panahi selbst, wie wir später lernen werden) setzt einen älteren Mann samt Gepäck und Hund ab. Sie betreten das Haus, in dem wir, die Zuschauer, uns bereits befinden. Die Vorhänge vor den Fenstern werden eilig zugezogen, fahles Licht fällt noch durch sie hindurch. Man will nicht gesehen werden. In den Fernsehnachrichten werden grausam zugerichtete Hundekadaver von den Straßen der Städte abtransportiert: Hunde seien unrein und hätten keinen Platz mehr in der islamischen Republik. Der vierbeinige Begleiter des Mannes sieht es mit ganz und gar menschlichem Unbehagen. Plötzlich stehen ungebetene Gäste im Haus. Eine junge Frau und ein Mann, die sich als Geschwister ausgeben, sind auf der Flucht. Unruhe vor dem Haus, ihre Verfolger sehen wir nicht, aber hören sie umso deutlicher. Wie hier überhaupt immer wieder über die Tonspur ein unsicht-, aber hörbarer Raum außerhalb des Hauses behauptet wird, das wir nie verlassen: Eine Partygesellschaft fährt irgendwann lärmend vorbei, ein Hubschrauber dreht seine Runden.
Der Mann, sein Hund und die beiden Flüchtigen, das begreifen wir irgendwann, sind Filmfiguren des Regisseurs Panahi, der plötzlich selbst unvermittelt im Raum steht, und die Plakate seiner eigenen Filme an den Wänden, zuvor durch die Frau von ihren Staubabdeckungen befreit, selbst wieder eilig verhüllt. Figuren eines nicht-gedrehten, ungeschriebenen Films. Es beginnt ein Spiel mit doppelten, dreifachen, vierfachen Böden: Kein Changieren zwischen Realität und Fiktion jedoch, sondern eine konsequente Verschiebung dieser Kategorien bis an den Rand der Auflösung. Die Figuren sind Kinder ihres Autors, der Autor ist Kind seiner Figuren; der tödliche Gang ins Meer, von der Frau als Ausweg aus dem erzwungenen Schweigen angeboten, er wird aufgehoben im Film und durch das Filmmaterial: im rückwärtslaufenden Zeitraffer. Am Ende geht der Blick wieder aus dem vergitterten Fenster; in einem Schlussbild, so groß (und hier natürlich unverraten), dass allein dafür am Samstag ein 'Bär' den Weg dieses Films kreuzen müsste. (Letztlich wurde 'Parde' zumindest für das 'Beste Drehbuch' ausgezeichnet, Anm. Red.)
Dieser Text ist zuerst anlässlich der Berlinale 2013 in der filmgazette erschienen.