Politik und Werbung geben ein hübsches Paar ab. In den westlichen Mediengesellschaften, in denen die Inszenierung der politischen Sphäre die meinungsbildenden Diskurse längst übertönt, verlaufen die Grenzen ohnehin fließend.
Tagespolitik erinnert heute an eine 'scripted reality'. Die Zuschauererwartungen haben maßgeblichen Einfluss auf die Rollenverteilung – der Konsument hat schließlich ein Anrecht darauf, vom Politzirkus wenigstens noch unterhalten zu werden.
Solche Zynismen sind natürlich nur angebracht, wo die inhaltlichen Positionen bereits so ununterscheidbar geworden sind, dass sich die Polit-Darsteller allein auf performativer Ebene Distinktionsgewinn verschaffen können.
Wie sich dagegen die Werbung zur Politik verhält, wenn tatsächlich etwas auf dem Spiel steht, zeigt der chilenische Regisseur Pablo Larrain in seiner Politsatire-goes-Thriller '¡NO!'.
1988 verkündete der damals schon schwer angeschlagene Diktator Pinochet siegesgewiss ein Referendum, das erstmals eine Volksabstimmung über seine 'Präsidentschaftskandidatur' vorsah. 15 Minuten Sendezeit im staatlich kontrollierten Fernsehen wurden der Opposition als Wahlkampfmittel zur Verfügung gestellt – verbannt ins Nachtprogramm. Larrain rekonstruiert diesen sonderbaren Wahlkampf, in den sich aus der Ferne selbst Hollywood zuschaltete.
Statt die Gräueltaten des Pinochet-Regimes in den Mittelpunkt der Kampagne zu stellen, engagiert die Opposition einen erfolgreichen, jungen Werber. Gael Garcia Bernal spielt diesen Hot Shot als unbedarften Sonnyboy, der nur eine vage Vorstellung davon hat, worauf er sich einlässt. Er fabriziert den Regimegegnern einen knallbunten Wahlkampf. 'Chile, die Freude kommt!' heißt das Motto seiner Kampagne. Zu sehen sind junge, gutgelaunte Menschen. Die Vorhut des Kapitalismus.
Larrain hat '¡NO!' mit Videokameras aus den achtziger Jahren gefilmt, um die Bildästhetik an das blässliche Archivmaterial anzupassen, das im Film reichlich Verwendung findet. Es ist ein schöner Gimmick, verdichtet aber auch das zeithistorische Porträt, das Larrain mit seinen nunmehr drei Pinochet-Filmen geschaffen hat. Die Thriller-Elemente bedienen sich dcer Paranoia-Tradition eines Costa-Gavras, darüber hinaus ist '¡NO!' auch historisch bemerkenswert. Er zeigt Chile am Übergang von einem repressiven, imperialistiisch-kapitalistisch gelenkten Staat zur 'freien' Marktwirtschaft.
Dieser Text erschien zuerst in: Pony #81