Zugegeben, Mads Mikkelsen dreht schon eine Menge Schrott. Für jeden „Casino Royale“ ein „Walhalla Rising“, für jeden „Nach der Hochzeit“ ein „The Necessary Death of Charlie Countryman“, der sich unerklärlicherweise auch noch in den diesjährigen Wettbewerb der Berlinale schmuggeln konnte, statt leise und unbemerkt als Download zu verglühen. Dass er dennoch zwischendurch ein richtig guter Darsteller sein kann, der offenbar vor allem die entsprechende Schauspielführung braucht, zeigt Mikkelsen nun in Thomas Vinterbergs „Die Jagd“, für die er zwar überraschend, aber kaum unverdient im vergangenen Jahr in Cannes als bester Darsteller prämiert wurde.
Es ist allerdings auch eine dankbare Rolle, ein fast an Hitchcock erinnerndes Konzept des „wrong man“, des unschuldig Beschuldigten, der fortan gejagt wird. Nur dass hier die Prämisse keinen Thriller folgen lassen kann, sondern ein erschütterndes Drama, wie sich aus einer kleinen, unbedachten Äußerung, in der die Worte „Schwanz“ und „hart“ vorkommen, ein Mob formiert, der von Rufmord bis Selbstjustiz vor nichts, erst recht nicht der Wahrheit, Halt macht. Die ominösen Worte entstammen dem Mund der fünfjährigen Klara, der Tochter des besten Freundes von Lucas, dem allseits geschätzten Kindergärtner. Und sie bringen eine Lawine ins Rollen, die den besonnenen Familienvater in den Abgrund zu reißen droht, zumal die heile Fassade durch seine Scheidung bereits Risse bekommen hat. Indizien werden zu Beweisen, Vermutungen zu Tatsachen – Thomas Vinterberg zieht alle Register einer selbstgerechten moralischen Entrüstung, die sich allzu schnell verselbständigt und schließlich nur noch Verwüstungen hinterlässt. Dabei ist weniger die Frage virulent, ob Lucas wirklich pädophil sein könnte, sondern vielmehr erschreckend – eben weil es so plausibel entwickelt wird –, wie machtlos die Vernunft vor der (Vor-)Verurteilung kapitulieren muss.
„Die Jagd“ verzichtet auf jeden angestrengten Symbolismus oder ähnliche Mätzchen und vertraut ganz auf die Wucht ihrer Geschichte und die Präsenz ihres – endlich wieder einmal – phänomenalen Hauptdarstellers Mads Mikkelsen. Zweifellos der eindringlichste Film des Dogma-Mitbegründers Thomas Vinterberg seit dessen Urknall mit „Das Fest“ vor mittlerweile fünfzehn Jahren.