„I belong to the blank generation and I can take or leave it each time …” sang 1977 Richard Hell mit den Voidoids, zur Zeit der Initialzündung des Punk. Und diese “Blank Generation” lebte in jener “Blank City”, dem heruntergekommenen New York der mittsiebziger Jahre, in abbruchreifen Häusern, die man z.B. noch zum Teil in Filmen wie „Taxi Driver“ oder „Permanent Vacation“ bewundern kann, Jim Jarmuschs erstem Spielfilm, in dem ein junger Mann meditativ durch Abbruchhalden schlendert. Jarmusch ist neben Susan Seidelman („Susan … verzweifelt gesucht“) oder Vincent Gallo („The Brown Bunny“) einer der wenigen übriggebliebenen bekannten Filmemacher aus der sogenannten „No Wave“-Zeit, und neben Amos Poe, John Waters oder Lydia Lunch kommentiert er für den Dokumentarfilm „Blank City“ von Céline Danhier unzählige Filmschnipsel, Ausschnitte aus zumeist Super8-Filmen oder Konzertausschnitte von Bands wie den Voidoids oder James Chance and the Contortions, denn die Darsteller und Regisseure in den Filmen konnte man seinerzeit auch genauso in einer Band finden, frei nach dem Motto: „Gitarre spielen kann ich auch nicht, also gründe ich eine Band.“
No Wave war eine radikale und einflussreiche künstlerische Bewegung, die sich zwar auf New York beschränkte, deren Wirkungsgeschichte sich aber bis heute nachvollziehen lässt. Ihre Wurzeln gehen auf Dada und Surrealismus zurück, sind nicht denkbar ohne William Burroughs oder Bob Dylan, in Andy Warhol und den Aktivitäten seiner „Factory“ bündeln sich ihre künstlerische Vorbilder; auf musikalischem Terrain standen sicherlich u.A. The Velvet Underground für das Pate, was sich Mitte der Siebziger in New Yorker Clubs wie dem relativ kleinen CBGB’s ereignete, wo sich plötzlich eine Häufung unbekannter, genialer Musiker begegnete: Blondie spielte nach Patti Smith, oder die Talking Heads vor den Ramones. Auf filmischem Gebiet orientierte sich die No Wave-Clique, in der quasi jeder mit jedem zu tun und zu arbeiten hatte, an John Cassavetes, dem „Erfinder“ des „Independent-Films“, sowie an den improvisierten Schmalfilmen von Andy Warhol, in denen jeder ein Star sein konnte, und die darauf achteten, dass darin niemand irgendwem vormachen wollte, er sei ein Schauspieler …
Musikalisch, cineastisch, gesamttkünstlerisch aber war die No-Wave-Bewegung wild entschlossen, der breiten und etablierten (Pop- und Kunst-)Kultur ihrer Epoche den Rücken zu kehren, und, wie alle wichtigen Strömungen in der Kunst davor, befreite sie dieses Rezept zu kreativen Prozessen von innovativer Nachhaltigkeit. Musikalisch folgte aus ihr Punk, New Wave, Independent et al., cineastisch etablierte sich mit ihrer Hilfe schließlich ganz das sogenannte Independent–Kino.
„Blank City“ fokussiert sich nun hauptsächlich auf den einen, den filmischen, Ausschnitt des Gesamtbildes, und allein die Filmproduktion jener Tage zwischen 1975 bis Anfang der achtziger Jahre, so lässt die Fülle des verwendeten Materials erahnen, muss so überbordend gewesen sein, dass ihr die Doku nur rudimentär gerecht werden konnte. Sekundenschnipsel von O-Material werden mit Oneliner-Voice-Over oder Sekundenschnipsel-Interviews aus dem Heute montiert, dass es eine Art ist und leider keine Ruhepunkte entstehen können. Dabei führt gerade die Menge des Was, also der Information (die nichtsdestoweniger fundiert und wertvoll ist), zu mangelnden Einsichten in das Wie. Wenn man von keinem der Werke der No-Wave-Macher auch nur wenig mehr als kurze Einstellungen zu sehen bekommt, dann gestaltet sich der Prozess des Nachvollzugs von Atmosphäre und/oder Stilistik etwas schwierig. So ist „Blank City“ dann doch eher ein informativer Film für Kenner der Szene geworden als ein Appetitmacher für Novizen.