Ein Mann mit einer Mission. Paul Voigt begegnet wildfremden Menschen, um diesen zu erzählen, dass sie das große Los gezogen haben. Sie sind jetzt nämlich wieder solo und können sich mal wieder so richtig austoben. In Zeiten, in denen die Geschäfte von Hochzeitsplanern gut gehen, ist es nur eine Frage der Zeit und der Phantasie, sich auch die wahrscheinlich etwas unangenehmere Dienstleistung vorzustellen. Paul ist ein Schlussmacher: im Auftrag seiner Agentur fährt er durch die Lande, beendet Beziehungen, verteilt ein kleines Trostpflästerchen und gibt schulterklopfend launig ein paar Tipps zur Krisenbewältigung. Aalglatt, professionell – und immer ein Lächeln auf den Lippen. Paul ist sehr erfolgreich in seinem Job, er steht kurz vor der tausendsten Trennung – und damit vor einem Karrieresprung.
Keine Frage: Matthias Schweighöfer hat sich bei seiner zweiten Regiearbeit erneut eine Rolle auf den Leib geschneidert. Spielte er in „What a Man“ noch den gebrochenen, beziehungsscheuen, nicht mehr ganz jungen Macho, der lernen muss, dass man sich als Mann nicht ändern muss, sondern lieber auf die richtige Frau wartet, so spielt er hier den traumatisierten, bindungsscheuen, nicht mehr ganz jungen Macho, der lernen muss, dass Liebe nichts für Feiglinge ist. Auch sonst gilt: Never change a winning team! Der Erfolg von „Schlussmacher“ an den Kinokassen scheint auch diesmal ausgemacht, denn Schweighöfer hält sich geradezu mimetisch an die sexistisch-sentimentalen Erfolgsformeln aus dem Hause Schweiger: hält man sich mit seinen Ansprüchen in Sachen Humor, Originalität und Handwerk etwas zurück, ist kommerziell erfolgreiches Unterhaltungskino hierzulande keine Zauberei.
„Schlussmacher“ erzählt von Pauls Lehrjahren des Gefühls, denn der ist seit der Trennung seiner Eltern traumatisiert, hält Abstand zu anderen Menschen und zahlt Gefühle nur in kleiner Münze aus. Sehr zum Bedauern seiner höchst attraktiven und ausgesprochen geduldigen Freundin Nathalie, die sich gar nicht zu wundern scheint, was für einen seltsamen Job Paul hat. Doch dieser Job ist natürlich eine Comedy-Steilvorlage: Wenn Paul die unfrohe Botschaft zumeist überraschend für sein Gegenüber vorbringt, ist Situationskomik die Regel. Da bestreitet die Cholerikerin schon mal cholerisch eine Cholerikerin zu sein und schlägt die Wohnung kaputt. Auch Thorsten, genannt Toto, reagiert auf die von Paul vorgetragene Botschaft seiner Freundin Katharina fassungslos, hält sich für ein Opfer der »Versteckten Kamera«. Doch dann will er sich, verzweifelt, umbringen – und nun hat Paul ein echtes Problem: einen Kindskopf mit großem Herzen an der Backe.
Wie es sich für ein Buddy Movie gehört, geht das ungleiche Paar auf eine Reise quer durch die Republik, deren pittoreske Locations zugleich Existenz- und Arbeitsbescheinigungen diverser Filmförderungsanstalten sind. Am Ende der Reise soll es Paul zum Teilhaber seiner Agentur gebracht haben. Reine Routine! Doch mit Toto im Gepäck ist an Routine nicht mehr zu denken; das Leben wird zu einem Abenteuerspielplatz voller »lustiger« Episoden. Wobei der Zuschauer schon ein ausgeprägtes Faible für abgedroschene Klischees, aufdringliches Product-Placement, abgestandenen oder pubertären Humor wie Furz-Witze oder Haarewaschen in der Toilettenschüssel, missglückte oder verschenkte Zitate aus transgressiven Hollywood-Komödien und Witze über Schwule, Lesben und fettleibige Frauen mitbringen sollte, um auf seine Kosten zu kommen.
Es gilt: Humor ist, wenn man trotzdem lacht, nicht mit, sondern über die Figuren, zumal das Team Schweighöfer und Milan Peschel (Toto) vor der Kamera durchaus funktioniert (allerdings scheinen die Sunny Boy-Manierismen Schweighöfers mittlerweile bloß noch routiniert und eindimensional: er spielt immer für die Galerie) und all die derben, teilweise strunzdoofen Scherze ja ohnehin nur die Zeit verkürzen, bis der Film die erwartbare sentimentale Keule auspackt. Wir erinnern uns: „Liebe ist nichts für Feiglinge!“ Toto, der nicht nur eine Nervensäge, sondern auch eine Seele von Mensch ist, bringt diese Formel ins Spiel und knackt damit die nur scheinbar harte Schale des alerten Geschäftsmanns Paul. Am Schluss heißt es dann mit John Paul Young besänftigend „Love is in the Air!“ und der miese Job in der Trennungsagentur ist Geschichte.
„Schlussmacher“ ist Dudelfunk auf der Leinwand, sein Publikum insgeheim oder auch mal geradeheraus verachtend und so ambitions-, lieb- und leidenschaftslos, als sei er im Autopilot-Modus gedreht worden, montiert aus Einfällen, die sich in den vergangenen vierzig Jahren auf dem Fußboden des Schneideraums angesammelt hatten. Dass er ein Erfolg mit Ansage werden wird, ist nur ein Symptom der Krise.